Vom Südwesten in den Nordosten von La Gomera – so sieht mein Umzug am 30. November 2023 aus. Mit dem Bus dauert die Reise inklusive Umstieg in Vallehermoso zwei Stunden, obwohl Valle Gran Rey und Hermigua nur ungefähr zwölf Kilometer voneinander entfernt liegen – Luftlinie, wohl gemerkt.
Auf den engen Serpentinenstraßen durch Gebirge und Lorbeerwald kommen Fahrzeuge relativ langsam voran. Als ich an meinem neuen Wohnort für den Monat Dezember ausstiege, habe ich das Gefühl, auf einer ganz anderen Insel gelandet zu sein. Ja, La Gomera ist zwar klein, aber unglaublich vielfältig und bereits die Fahrt entpuppt sich als Genuss für Naturliebhaber. Obwohl die Verdeutschung ihren Lauf nimmt und mir als Auswanderin manchmal tierisch auf den Geist geht, erweist sich Hermigua als Oase kanarischer Ursprünglichkeit, wo ich mich als Wanderfreundin perfekt aufgehoben fühle.
Hermigua und die steilen Berge
Als ich neben der malerischen Kirche aus dem Bus steige und mein Navi nach der Distanz zu meiner neuen Wohnung frage, bin ich im ersten Moment erleichtert – nur 650 Meter. Nach einem heftigen Wolkenbruch in Vallehermoso regnet es munter weiter. Obwohl ich nur das Nötigste auf der Packliste habe, ist mein Gepäck schwer. Schwerer als mir lieb ist, denn mit dem steilen Aufstieg zu meiner Unterkunft in Las Nuevitas habe ich nicht gerechnet. Ich schwitze, stöhne und schreie kurz vor dem Ziel vor Anstrengung. Hätte ich doch an der Kirche ein Taxi genommen!
Das lang gestreckte Dorf Hermigua ist eingebettet in ein grünes Tal mit einem Dschungel aus Bananenbäumen. Die einzelnen Ortsteile wie Las Nuevitas, Ibo-Alfaro oder El Tabaibal ziehen sich an imposanten Hängen hoch. Wenn du kräftige Wanderwaden hast, kommst du zu Fuß überall gut hin. Mit Einkäufen oder Hausrat wird die Sache jedoch komplizierter. Deshalb empfehle ich dir, deine Ferienwohnung möglichst nah an einer Bushaltestelle zu mieten oder dir einen Mietwagen zu besorgen.
Für mich hat sich der Aufstieg nach Las Nuevitas gelohnt: Vom Küchenfenster aus fällt mein Blick auf den Atlantik und die Berge, während mir die Dachterrasse ein überwältigendes Panorama über Hermigua, das Tal und das Meer beschert. Inmitten dieser Idylle für Naturfreunde fühle ich mich endlich angekommen.
Wanderparadies vor der Haustür
Direkt vor meiner Haustür verlaufen mehrere Wanderwege, auf denen Kondition und Trittfestigkeit gefragt sind. Falls du glaubst, du könntest in Hermigua mit Flip Flops an den Füßen wandern, bleib am besten zu Hause oder mach einen gemütlichen Spaziergang zum Kaffeetrinken im Dorf. Viele Wege sind steinig, nah am Abgrund und nach Regenfällen rutschig. Wenn du zum Beispiel von El Convento ins Bergdorf El Cedro aufsteigst, solltest du immer genau schauen, wohin du deine Füße setzt. Während ich in der ruhigen Abgeschiedenheit rund um Hermigua unterwegs bin, schätze ich vor allem die Langsamkeit des Wanderns: einfach mal innehalten und die Landschaft von oben betrachten. So nehme ich mir Zeit, viele schöne Wander-Reels für meine Social-Media-Kanäle auf Instagram und TikTok zu drehen. Lass einfach mal ein Like dafür da und folge mir, denn dort bekommst du noch mehr Input als hier auf der Website.
Das Leben feiern in Hermigua
Die herzlichen Bewohner von Hermigua lieben es, bis in die frühen Morgenstunden ihre traditionellen Fiestas mit lauten Salsa-Klängen und ausgelassenem Tanz zu feiern. Ich erlebe einen Weihnachtsmarkt mit Live-Musik und fröhliche Weihnachtskonzerte auf einer Bühne neben der Kirche. Von getragener Festtagsstimmung und Konsumrausch wie in Deutschland ist im grünen Norden von La Gomera nichts zu spüren. Nach Einbruch der Dunkelheit illuminiert bunte Weihnachtsbeleuchtung die Straßen und wirkt auf mich wegen der frühsommerlichen Temperaturen immer ein bisschen seltsam.
Während in Klein Deutschland Valle Gran Rey schon Reizüberflutungsgefahr durch kiffende Möchtegern-Hippies, vor sich hin trällernde alte Männer und eine Vielzahl von Bars und Veranstaltungen besteht, sind Naturfreunde in Hermigua unter sich. Man trifft sich zum Beispiel in der Pedro-Bar in der Casa Creativa, wo der ruppige Wirt Pedro öfters mal grimmig ist und ansonsten pure Lebensfreude in der Luft liegt.
Die Community der Langzeiturlauber und digitalen Nomaden stammt auch hier hauptsächlich aus Deutschland, ist aber internationaler als im „Tal des großen Königs“. Im Nachbarhaus wohnen Sema und Fabian von der Nordseeinsel Amrum und wenn wir uns auf einen Drink treffen, gesellen sich öfters Ed aus dem US-Bundesstaat Minnesota und Wilfried aus Belgien dazu. Auf Instagram begegnet mir kurz vor Weihnachten Sarina aus Berlin, die zufällig im gleichen Haus wohnt wie ich und mir bei Wanderungen gerne Gesellschaft leistet. Es fällt mir leicht, in Hermigua Kontakte zu knüpfen.
Unterkünfte, Shops und öffentlicher Transport
Die meisten Unterkünfte im Ort sind viel preiswerter als in Valle Gran Rey oder Playa Santiago. Aus touristischer Sicht hat das verständliche Gründe. Erstens existiert ein Temperaturgefälle zwischen dem Norden und dem Süden von La Gomera. Zweitens ist Hermigua ein Wanderparadies, aber kein klassischer Badeort. Wenn du Wert auf romantische Sonnenuntergänge und feinen Sandstrand legst, bist du ebenfalls fehl am Platze. An der Playa de Caleta kannst du dagegen Felsnadeln und andere beeindruckende Gesteinsformationen bewundern. Außerdem gibt es an der ehemaligen Bananen-Verladestation Natur-Schwimmbecken, doch wegen der Steinschlaggefahr an der Felswand bekomme ich auf dem Weg dorthin schwitzige Hände.
Neben einigen kleinen Hotels bieten Pensionen und Gästehäuser Unterkünfte für Urlauber an. Ich finde eine gemütliche Zweizimmerwohnung in einem Haus, wo reges Kommen und Gehen der Gäste gang und gäbe ist. C’est la vie!
Was die Versorgung mit Lebensmitteln betrifft, fahre ich einmal pro Woche mit der Buslinie 2 in die Inselhauptstadt San Sebastián. In Hermigua ist die Auswahl an Nahrungsmitteln eingeschränkt und leer gefegte Regale können durchaus vorkommen. Glücklicherweise öffnet ab und zu ein deutscher Bio-Laden, deren Inhaberin Susanne fast jedes Produkt für 4,90 Euro verkauft …
Mach dich darauf gefasst, dass Busverbindungen selten sind. Etwa alle drei Stunden kannst du mit der Linie 2 entweder nach San Sebastián oder Vallehermoso reisen – sonntags noch seltener. Auf La Gomera habe ich aber mein Planungs- und Organisationstalent so passabel weiterentwickelt, dass ich alle Ziele mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreiche und zufrieden mit meinem Wanderpensum bin. Als ich Hermigua zu Silvester verlasse, macht sich etwas Wehmut in mir breit. Das ganz normale Drama, wenn ich weiterreise. Bestimmt kehre ich irgendwann zurück – vielleicht in zwei oder drei Jahren. (as)
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