Silvester in Finnland unter dem Sternenhimmel auf Pellinki

Silvester in Finnland

Zum Jahreswechsel kommen wahrscheinlich bei sehr betagten Berlinern Kriegserinnerungen hoch. Im Donner von Böllern und Raketen reagiere auch ich so panisch, dass ich manches Jahr schreiend durch die Straßen geflüchtet bin. 2019 reicht es mir: Ich verbringe Silvester in Finnland.

Was mich dort erwartet, weiß ich nicht. Meine einzige Mission für die Zeit zwischen dem 29. Dezember und den 1. Januar lautet Raus aus Berlin. Mein Reisebegleiter empfängt mich in Helsinki, wo Weihnachtsbeleuchtung und kleinere Weihnachtsmärkte das trübe nordische Dämmerlicht ein bisschen erhellen. Nach einem Stadtspaziergang, Kaffee und Kuchen werde ich mit Sack und Pack entführt. Das Ziel dieser Winterreise sei eine Überraschung, sagt mir der Mann, in dessen Auto ich gestiegen bin.

Dom von Helsinki
Dom von Helsinki, Foto: Reise-Liebe

Silvester in Finnland mit Überraschung

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Rund um Helsinki spinnt sich ein Netz aus Autobahnen. Nach einer Weile vermute ich Porvoo als Silvester-Destination. Tatsächlich nimmt mein Begleiter die entsprechende Ausfahrt und hält an einem Supermarkt, um noch ein paar Lebensmittel einzukaufen. Dann verlassen wir die Stadt und dringen ein in ein Reich der Dunkelheit. Straßenbeleuchtung gibt es keine, die Landstraße ist voller tiefer Schlaglöcher. Die wenigen Menschen, die sich hier vor die Tür wagen, tragen Reflektor-Westen. Ohne die Scheinwerfer des Autos würden wir in Schwärze versinken.

Gefühlt 30 Kilometer hinter Porvoo halten wir an einer Schranke. Ein Bahnübergang, denke ich. Erst als sie sich öffnet, erkenne ich, dass wir Kurs auf eine Fähre nehmen (Finnisch: lossi). Ich bin total überrascht! Mein Silvester in Finnland findet also auf einer Insel statt. Die Überfahrt von Tirmo nach Pellinki ist kostenlos. Wer die Fähre knapp verpasst, muss ungefähr 15 Minuten an der Schranke warten.

Saunahütte in Finnland
Saunahütte auf Pellinki, Foto: Reise-Liebe

Déjà-vu mit Saunahütte

Es handelt sich um die einzige Verbindung zum Festland. Zwischen den kleinen Inseln, aus denen sich das Archipel von Pellinki zusammensetzt, existieren Brücken. Wir überqueren einige und biegen auf einen Feldweg ab. Der Asphalt mündet in Schotter, wir tauchen ab in einem Wald und stoppen vor einer roten Holzhütte mit Veranda. Die einzigen direkten Nachbarn sind hohe Tannen.

Auf einmal stecke ich mitten in einem Déjà-vu: Fast auf den Tag genau acht Jahre zuvor durfte ich einige der wohl besten Momente meines Lebens in einer Saunahütte in Finnland erleben – nicht auf Pellinki, sondern am Rande eines Sees bei Tampere. Auch dieses Mökki (zu Deutsch: Hütte) hat eine Sauna mit Holzofen, wo ich abends ganz lange die Seele baumeln lasse. Ich freue mich wie ein kleines Kind über die gelungene Überraschung.

Holzsauna
Sauna im Mökki, Foto: Reise-Liebe

Klimawandel in Finnland

Zur Abkühlung zwischendurch gehe ich einfach raus auf die Veranda. Die milden Temperaturen geben mir allerdings bis zur Abreise schwer zu denken. Meist klettert das Thermometer auf vier bis fünf Grad Celsius. Für finnische Verhältnisse ist es viel zu warm, Weidenkätzchen sprießen schon. Eine Verkäuferin in einem Lebensmittelladen auf der Insel erzählt uns, dass die etwa 260 Einheimischen noch nie solch einen eisfreien Winter erlebt hätten. Während der Klimawandel um sich schlägt, werden auch in finnischen Supermärkten Raketen verkauft – an Extra-Ständen vor dem Eingang statt auf Grabbeltischen wie in Deutschland.

Klimawandel in Finnland
Weidenkätzchen sprießen an Silvester, Foto: Reise-Liebe

Sternklarer Himmel am Meer

Die umweltschädlichen Krachmacher lassen wir links liegen und bestaunen drei Nächte lang den sternklaren Himmel am Ostseestrand. Mit einer Taschenlampe bahnen wir uns den kurzen Weg durch den Wald zum Meer. Sobald das künstliche Licht ausgeschaltet ist, offenbaren sich unzählige Sternbilder am Firmament. Je länger man nach oben schaut, desto mehr Sterne fangen an zu funkeln. In der Silvesternacht ballern in weiterer Entfernung zwar Raketen, aber in der Abgeschiedenheit am Wasser sind wir vor „Kriegszuständen“ wie in Berlin sicher.

Ostsee auf Pellinki
Ostsee auf Pellinki, Foto: Reise-Liebe

Moosteppiche im Wald

Mein Silvester in Finnland ist also sehr ruhig, tagsüber lassen wir uns durch den Wald treiben. Auf dem Boden zwischen den Bäumen spinnen Moose und Flechten weiche Teppiche. Es ist ein Leichtes, sich vorzustellen, dass hinter den grün bewucherten Felsen Elfen, Trolle und Zwerge leben. Immer wieder passieren wir andere Hütten wie unsere, doch all diese Waldgrundstücke haben so viel Abstand zueinander, dass man seine Nachbarn weder bemerkt noch beobachten kann.

Finnischer Wald
Moosteppich im Wald, Foto: Reise-Liebe

95 Prozent der Einwohner von Pellinki sind schwedischsprachig und nennen ihr Eiland Pellinge. Wie uns die Frau aus dem Tante-Emma-Laden berichtet, kämen im Juni und Juli über 5.000 Finnen vom Festland, um ihre Sommerhäuser zu beziehen. Dann sei es mit der schönen Ruhe vorbei. Auto- und Motorboot-Lärm stünden auf der Tagesordnung. Wir fragen uns, was dagegen spricht, die Natur auf dem Fahrrad, im Ruder- oder Segelboot ohne Motor zu genießen.

Porvoo, Finnland
Porvoo, Foto: Reise-Liebe

Ausflug nach Porvoo

Wenn man einige Tage auf Pellinki verbringt und sich doch nach etwas mehr Zivilisation sehnt, empfiehlt sich ein Ausflug in die Altstadt von Porvoo. Die bunten skandinavischen Häuser erinnern an die Städtchen aus den Pippi-Langstrumpf-Filmen. Gemütliche Kaffeestuben laden ein zu genüsslichen Kuchenschlachten und es würde super ins Bild passen, wenn plötzlich Pippi mit Tommy und meiner spießigen Namensvetterin um die Ecke geritten käme.

Nachdem ich die Stadt im März 2012 romantisch verschneit gesehen habe, verfolgen mich in allen drei Nächten in der Hütte Alpträume vom Klimawandel. Nach diesem Silvester in Finnland werde ich wohl weniger fliegen! (as)

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2 Gedanken zu „Silvester in Finnland unter dem Sternenhimmel auf Pellinki“

    1. Hallo Inka,
      ja, das war erschreckend. Ich war im Dezember 2011 das erste Mal in Finnland, da lag auch wenig Schnee. Dann aber zwischen Februar und April 2012 richtig viel. Das gehört nun wohl der Vergangenheit an! 🙁

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