Mikro-Reisen tun mir gut. Seit ich mir im März mein Fahrrad angeschafft habe, flüchte ich fast jedes Wochenende aus Berlin. Obwohl Rainald Grebe vom öden, rückschrittlichen Brandenburg singt, hole ich mir in der Natur meine „Hallelujah, Berlin“-geraubte Energie zurück und halte das regelmäßig in den Videos auf meinem YouTube-Kanal fest. Am letzten Samstag vor der Winterzeit mache ich eine 3-Seen-Tour ab Bad Saarow (Scharmützelsee, Glubigsee, Großer Storkower See).
Bahnfahrt Berlin Bad Saarow
Erst einmal geht die Reise zum Bahnhof Zoo, wo ich die Regionalbahn nach Frankfurt an der Oder nehme. In Fürstenwalde heißt es Umsteigen in die Niederbarnimer Eisenbahn, die bis zum Klinikum in Bad Saarow fährt. Wenn Du eine Radtour machen willst, verlasse den Zug eine Station früher am historischen Stadtbahnhof.
Pro Fahrtrichtung kostet das Ticket Berlin Bad Saarow 5,70 Euro, hinzu kommen sechs Euro für eine Fahrrad-Tageskarte. Nach ungefähr einer Stunde und 15 Minuten bin ich am Ziel und orientiere mich anhand einer Streckenbeschreibung aus dem Internet. Sie ist sehr knapp, enthält aber alle wesentlichen Orte der 3-Seen-Tour ab Bad Saarow.
3-Seen-Tour ab Bad Saarow gut ausgeschildert
Verfahren ist kaum möglich, denn gleich vor dem Bahnhof empfangen mich mehrere Wegweiser für Radfahrer, von denen ich mich im Laufe der gesamten Tour bestens geleitet fühle.
Das Kurbad mit der bekannten Therme liegt idyllisch am Scharmützelsee, an dessen Ufer sich zahlreiche Resorts für Kurgäste und Urlauber angesiedelt haben. Der Radweg führt also nicht immer am Ufer entlang, aber häufig über Wald-Wanderwege. Das habe ich bei allen Brandenburg-Radtouren sehr genossen: den Duft von Wald. Jetzt strömt in meine Nasenlöcher eine erdige Note von Herbstlaub, das in gelbroten Indian-Summer-Tönen strahlt.
Parallelen zu Finnland
Prompt erinnere ich mich an meinen herbstlichen Finnland-Kurztrip Anfang Oktober und mir fallen dabei so viele landschaftliche Gemeinsamkeiten ins Auge – die weiten Seen, außerdem wachsen im Seenland Oder-Spree jede Menge Nadelbäume und Birken. Als ich am Seeufer in Diensdorf-Radlow eine Siedlung skandinavischer Holzhäuser entdecke, fehlen nur noch „Vorsicht Elch“-Straßenschilder, um die Illusion vom hohen Norden perfekt zu machen.
Zahlreiche Badestellen
Im Sommer würde die 3-Seen-Tour wohl zwei Tage dauern, ständig locken Badestellen für eine Abkühlung zwischendurch. Leider sind diese Zeiten 2019 schon vorbei, doch man kann ja noch am See picknicken. Wie so oft transportiere ich in meiner blauen Gepäckträger-Tasche eine Schale mit Tortellini-Salat, der nach dem Strampeln noch besser schmeckt als in den heimischen vier Wänden. Als ich Wendisch Rietz erreicht habe, lege ich eine Mittagspause ein.
In dem Dorf am südlichen Ende des Scharmützelsees gibt es auch ein gemütliches Künstlercafé, wo ich später Kaffee trinken werde. Während der 3-Seen-Tour ab Bad Saarow kommt man nämlich zweimal durch den Ort. Hätte ich nur eine Scharmützelsee-Umrundung geplant, würde ich sofort dem Schild zum Ausgangspunkt meines Ausflugs folgen. Stattdessen bewege ich mich durch Wälder und Wiesen über Dahmsdorf nach Storkow.
Philadelphia in Brandenburg?!
Ich durchquere die Altstadt, wo es ein paar Fachwerkhäuser und eine Kirche gibt. Anstelle einer Burg-Besichtigung schlecke ich im Sonnenschein ein Eis und verfahre mich auf der Bundestraße B246. Das aber auch nur, weil ich die falsche Richtung einschlage, was ich an einem Wegweiser nach – ja, richtig gelesen – Philadelphia bemerke. Philadelphia? Wie habe ich mich bloß mit dem Rad über den großen Teich katapultiert? Oder ist die US-Metropole nach diesem Kaff benannt? Ich mache eine Kehrwendung und folge der Straße nach Wendisch Rietz.
Zurück in Bad Saarow, zeigt mir ein Schwan aus nächster Nähe, wie lange er auf einem Bein stehen kann. An der Ludwig-Lesser-Promenade tummeln sich am Nachmittag Heerscharen von Spaziergängern und Radfahrern, die anscheinend alle noch mal Sonne vor der dunklen Jahreszeit tanken wollen. Schon kurz nach 16 Uhr registriere ich, wie sich die Sonne über dem See senkt und ein kräftiger Wind durchs Schilf bläst. Nun spüre ich, wie sich der Sommer endgültig verabschiedet. (as)
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