Etwa 380 Kilometer nördlich von Stockholm liegt Sundsvall. Die Stadt in der Provinz Västernorrland hat man nicht unbedingt auf dem Schirm, wenn man das erste Mal nach Schweden reist. Dann denkt man zu allererst an Malmö, Göteborg und natürlich an die Hauptstadt Stockholm. Sundsvall ist kein klassisches Touristenziel und für mich eine spontane Kurztrip-Destination. Auf den ersten Blick möchte ich ihr den Stempel „Langweilig“ aufdrücken, doch wenn du dich auf sie einlässt, wirst du ihre Perlen entdecken.
Die Steinstadt Sundsvall
Sundsvall ist so klein und überschaubar, dass es sich leicht zu Fuß erkunden lässt. Nach meiner Ankunft mit der Bahn frage ich mich: Was soll ich an diesem unscheinbaren Ort unternehmen? Gibt es überhaupt ein paar Möglichkeiten? Als erstes spaziere ich ins Stadtzentrum, wo viele imposante Gebäude aus dem späten 19. Jahrhundert erhalten geblieben sind. Wegen dieser Prachtbauten aus Natur- und Backstein wird der Stadtkern auch als „Stenstan“ (zu Deutsch: Steinstadt) bezeichnet.
Die architektonische Kunst fußt auf einer Katastrophe: Am 25. Juni 1888 wütete in Sundsvall ein Großfeuer, bei dem die früheren Holzhäuser vollständig niederbrannten. Da aber die Konten der lokalen Mogule aus der Holzindustrie gut gefüllt waren, konnten es sich die Stadtväter leisten, Schwedens Top-Architekten zum Wiederaufbau mit robustem Stein anzuheuern. Das ursprüngliche Straßenmuster aus dem 17. Jahrhundert wurde bei der Neugestaltung beibehalten. Auffallend sind die vielen rechtwinklig sich kreuzenden Straßen.
In dieser Planstadt begegnen mir an jeder Straßenecke bunte Gesellen – Drachenfiguren, die von Künstlern aus der Region gestaltet worden sind und unterschiedliche Namen tragen – von Axel bis Karl Alfred. Im Sommer ist es üblich, dass in Sundsvall eine Drachenparade stattfindet. Die Figuren werden immer von jeweils einer Firma gekauft und den Kreativen zum Bemalen überlassen. Eine originelle Idee, um die Stadt mit Farbtupfern aufzupeppen!
Weitere schöne Ecken im Zentrum sind der mit Tierfiguren verzierte Springbrunnen im Park Vängåvan, die Promenade am Wasser und Gustaf Adolfs Kyrka. In der Kirche beglückt mich am Abend ein Gratis-Konzert mit dem nordischen Kammerorchester und begnadeten Solisten. In dem Moment wird mir klar, was für eine musikalische Stadt Sundsvall ist.
In der Innenstadt lohnt sich auch eine Stippvisite im Kulturmagasinet, bei dem es sich um ehemalige Lagerhäuser am Hafen handelt. Obwohl sie umgebaut wurden, um heute die Stadtbibliothek zu beherbergen, ist der industrielle Charme nach wie vor präsent. Hier verschmelzen Altes und Modernes auf kunstvolle Weise.
Freiluftmuseum Norra Berget
Charakteristisch für Sundsvall ist die geographische Lage. Die Stadt liegt in einer Talschneise zwischen zwei Bergen – Norra und Södra Berget (Nord- und Südberg). Auf dem 165 Meter hohen Norra Berget, wo ich in einem einladenden Hostel am Waldrand übernachte, gibt es lauschige Waldwanderwege und ein Freilichtmuseum. Wenn du den Skansen in Stockholm kennst, wirst du dich wahrscheinlich daran erinnert fühlen. Im Sundsvaller Pendant ist der Eintritt frei und du kannst dir über 40 schwedische Holzhäuser aus unterschiedlichen Epochen anschauen.
Außerdem bietet das weitläufige Freizeitgelände gemütliche Caféstuben, ein Restaurant, kleine Läden, Kinderspielplätze und Tiere wie Schweine und Schafe. Dort oben auf dem Berg lässt es sich leicht mehrere Stunden aushalten. Bei meinem Besuch ist der Aussichtsturm zwar geschlossen, doch auch unterhalb davon kannst du deinen Blick über die Stadt und die Brücke zur Insel Alnö schweifen lassen. Setz dich einfach auf eine Bank am Wegesrand und genieße das Panorama. Für den herrlichen Ausblick geht es zu Fuß steil bergauf – es sei denn, man ist mit dem Auto unterwegs.
Malerisches Spikarna auf Alnö
Am nächsten Tag habe ich das Gefühl, in der Innenstadt von Sundsvall genug gesehen zu haben. Deshalb steuere ich den Busbahnhof am Stortorget an und mache mit den Bussen von Din Tur einen Ausflug auf die vorgelagerte Schäreninsel Alnö. Mein Ziel heißt Spikarna und die Fahrt dorthin fühlt sich am Wochenende an wie eine Weltreise – vor allem bei der Hinfahrt, weil ich fast eine Stunde auf den Anschlussbus warten muss.
Ich bin kurz davor, frustriert zurück in die City zu fahren und dann froh, die Reise doch fortgesetzt zu haben. Das Fischerdorf Spikarna ist eine fast schon stereotype Schweden-Idylle, am ehesten vergleichbar mit Sandhamn im Stockholmer Schärengarten. Die malerischen, rot gestrichenen Holzhäuser spiegeln sich im Meer. Egal, aus welchem Blickwinkel ich sie betrachte, ihr Charme zieht mich voll in ihren Bann.
Zuerst spaziere ich am Wasser zur Kapelle, dann zur Lotsenstation und setze mich schließlich im angrenzenden Wald auf einen hohen Felsen mit Meer- und Inselblick. Die Sonne hat den Stein angenehm aufgeheizt. So erfreue ich mich an der Wärme, dem Ausblick und der Ruhe. Von allem, was ich bei meinem Sundsvall-Kurztrip erlebt habe, ist Spikarna das Sahnehäubchen. Allein deshalb hat sich der Trip gelohnt. (as)
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