In der Ostsee zwischen Schweden und Finnland liegen die Åland Inseln mit der Hauptstadt Mariehamn. In ihrem Hafen hatte ich 2021 schon zweimal einen Zwischenstopp, ohne an Land zu gehen. Bei diversen Meetup-Treffen in Stockholm lerne ich Mats kennen, einen schwedischsprachigen Finnen, der seine Heimatinseln heiß und innig liebt und immer wieder betont, dass sie die „schönsten der Welt“ seien. Damit motiviert er mich, einen Kurztrip in Finnlands autonome, entmilitarisierte Inselregion zu machen.
Im Juni ist es so weit: Kurz vor Mittsommer nehme ich am frühen Morgen die preiswerte Fähre der Viking Line und schippere ungefähr fünf Stunden durch eine maritime Landschaft, die ich für eine der eindrucksvollsten in Europa halte – den Stockholmer Schärengarten. Die landschaftliche Schönheit genieße ich bei einem gepflegten Sektfrühstück im Panorama-Restaurant, bevor ich mich auf dem Sonnendeck an der traumhaften Aussicht erfreue. Mein Kurztrip fängt also perfekt an!
Mariehamn feiert Ålands Autonomie
In Mariehamn werde ich von festlicher Stimmung überrascht. In diesem Jahr feiern die Åland Inseln 100 Jahre Autonomie. Das ausgelassene Straßenfest mit zahlreichen Musikbühnen und opulenter Beflaggung trägt in der Amtssprache Schwedisch den Titel „Hundra År av Egensinne“. Der Eigensinn drückt sich zum Beispiel in den Nummernschildern und Webadressen aus. Autos fahren mit åländischen statt mit finnischen Nummernschildern. Die Endungen für Webseiten lauten auch nicht .fi, sondern .ax. Und Finnisch sprechen anscheinend nur die Touristen vom finnischen Festland.
Trotzdem hängt über dem Archipel, das aus sage und schreibe über 6.700 Inseln und Schären besteht, eine finnische Mystik. In der Natur duftet es wunderschön nach Nadelbäumen, schließlich gehören die Inseln Ålands zur Vegetationszone des borealen Nadelwalds. Die zerklüftete Insellandschaft sieht ähnlich aus wie im Meer vor Stockholm. Ähnlich und trotzdem anders. Die Unterschiede kann ich mir schwer erklären, wahrscheinlich handelt es sich um ein Gefühl. Ein gutes Gefühl voller Vertrautheit.
Nach russischer Zarin benannt
Mariehamn auf der Hauptinsel Fasta Åland hat eine überschaubare Größe und lässt sich an einem Tag erkunden. Ziemlich schnell fällt auf, dass die Straßen auf dem Reißbrett angelegt wurden. Sie verlaufen rechtwinklig nach den Plänen des Architekten Georg Theodor Chiewitz. Zar Alexander II. hatte ihm um 1860 den Auftrag erteilt, einen Kur- und Badeort zu entwerfen.
Ursprünglich sollten Steinhäuser das Stadtbild prägen, doch gegen den Befehl des russischen Kaisers wurden ab 1863 Holzhäuser errichtet. Diese skandinavisch anmutenden Bauten sind in großer Zahl erhalten geblieben, während der Ortsname Alexanders Gemahlin Maria Alexandrowna gewidmet ist. Zur Zeit der Gründung standen Finnland und Åland noch unter russischer Herrschaft.
Sehenswürdigkeiten in Mariehamn
Das rege Leben spielt sich in der Fußgängerzone und rund um den Marktplatz (Torget) mit dem altehrwürdigen Musikpavillon und dem Glockenturm ab. In dieser Gegend befinden sich viele Souvenirläden, eine Shopping-Mall und eine Reihe recht kostspieliger Restaurants. Auch der Badestrand ist nur einen Katzensprung entfernt. Spaziert man an der Seepromenade nach Norden, gelangt man zum Seefahrerquartier mit mehreren Holzhäusern, renovierten Bootsschuppen und einer kleinen Werft.
Seebären kommen in Mariehamn übrigens voll auf ihre Kosten: Die Hauptattraktion ist der 1903 gebaute Viermaster Pommern. Das imposante Museumsschiff lässt sich bei einem Besuch des Seefahrermuseums besichtigen. Während meines Kurztrips ist es wegen der Feierlichkeiten geschlossen, doch neben dem Bug kann man unterschiedlichen lokalen Musikern auf einer Bühne lauschen – vom Alleinunterhalter bis zum Frauenchor.
Nachdem ich den Staatsbesuch von Königin Silvia und König Carl Gustaf verpasst habe (ein Spaziergang durch die Natur war mir wichtiger), begegnet mir abends am Musikpavillon ein Bekannter aus Stockholm: der weiter oben erwähnte Mats. Die Überraschung ist auf beiden Seiten riesig und in Anbetracht seiner Heimatliebe kein allzu großes Wunder.
Natur-Radtour nach Järsö
Er empfiehlt mir, die typischen Åland-Pfannkuchen mit Kardamom zu probieren. Zur Feier des Tages werden die süßen Leckereien nämlich auf dem Marktplatz an Passanten verschenkt. Ich sehe den Stand erst, als Mats mich darauf hinweist. Unsere Begegnung ist auch für den weiteren Verlauf meiner Reise ein glücklicher Wink des Schicksals. Ich plane eine Radtour und würde wohl ohne Mats‘ Tipps den Wegweisern nach Norden folgen.
Stattdessen radele ich nach Süden bis zur Insel Järsö. Die kleineren Inseln südlich von Mariehamn sind durch Brücken miteinander verbunden und so wild romantisch, dass man sich für den Ausflug ein paar Snacks mitnehmen sollte. Es ist eine Panorama-Fahrt mit wundervollen Aussichten auf den Schärengarten. Immer wieder stoppe ich am Straßenrand, weil eine Aussicht schöner ist als die andere. Ich nehme mir also Zeit und gehe in zwei Naturreservaten spazieren.
Järsö scheint fast unbewohnt zu sein und bietet Naturliebhabern jede Menge Wanderpfade und Rückzugsmöglichkeiten. Die Wege sind farblich markiert, weshalb man leicht zum Ausgangspunkt zurückfindet. Wenn du auf den Åland Inseln unterwegs bist, entdeckst du mit Sicherheit die eine oder andere Windmühle, ohne dass du bewusst danach suchen müsstest. Die roten Mühlen aus Holz kommen mir vor wie aus einer Märchenwelt.
Lust auf längere Åland Radreisen
Ja, es ist eine andere Welt, die Lust auf mehr macht. Mats erzählt mir, Åland sei der ideale Ort für längere Radreisen bis zum finnischen Festland, wo man an der Ostseeküste weiter radeln könne. Unterwegs gebe es viele Brücken und Fährverbindungen – nordisches Insel-Feeling pur. Während ich mich jetzt an meine Erlebnisse in Mariehamn und Umgebung erinnere, spüre ich längst schon wieder den Drang, weitere Radel-Abenteuer im baltischen Raum auf die Beine zu stellen. (as)
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