Im Jahr 2018 wurde der Kattegatleden als „Europäischer Radwanderweg des Jahres“ ausgezeichnet. Nachdem ich schon seit über zwei Jahren mit einer Schweden Radreise geliebäugelt habe, ist das für mich natürlich ein Grund, meine Tour auf dem ersten Fernradweg des skandinavischen Landes zu starten. Die 390 Kilometer lange Strecke zwischen Göteborg und Helsingborg wurde im Sommer 2015 offiziell eingeweiht und ist durch rote Wegweiser mit der Zahl Eins gekennzeichnet. Dank der exzellenten Ausschilderung verirre ich mich während meiner Radtour kaum.
Fähre von Kiel nach Göteborg
Ehe ich losfahren kann, steht noch ein kurzer Aufenthalt in Deutschland auf dem Programm. Per Zauberspruch kommt mein Fahrrad einfach nicht zu mir! Deshalb erlebe ich die Überfahrt von Kiel nach Göteborg mit der Fähre – eine beliebte Route für Minikreuzfahrten. Der Check-in am Schwedenkai geht superschnell. Schon zwei Stunden vor der Abfahrt des Schiffes darf ich an Bord radeln und meine Kabine beziehen. Auf dem Sonnendeck trällert eine Sängerin längst bekannte Songs. An der Bar fließen die Drinks; auch das Abendbuffet öffnet, bevor die Fähre gen Norden ausläuft. Der Wind der Freiheit zerzaust mir die Haare, während der Kieler Hafen in der Ferne verschwindet.
390 Kilometer Kattegatleden
Am nächsten Morgen habe ich den Plan, zum Hauptbahnhof von Göteborg zu strampeln. Dort beginnt der Kattegatleden nämlich offiziell. Weil es regnet und ein kräftiger Wind weht, folge ich den Wegweisern am Hafen und trete sofort die Reise nach Süden an. Vielleicht hat mich das Wetter ja vor einem Sturz bewahrt, denn Göteborgs Innenstadt ist von Straßenbahnschienen nur so durchzogen und für Radfahrer eine kleine Herausforderung.
Schnell erreiche ich die imposante Hängebrücke Älvsborgsbron, die in der Hafeneinfahrt den Fluss Göta überquert. Sie ist 933 Meter lang und verbindet Göteborg mit einem Industriegebiet auf der Insel Hisingen. Bis ich in den Genuss idyllischer Schärengarten-Panoramen komme, dauert es eine Weile. Immerhin ist Göteborg Schwedens zweitgrößte Stadt, deren Ausläufer sich ausdehnen. Eine Weile trete ich neben viel befahrenen Autostraßen in die Pedale. Wie ich in den kommenden fünf Tagen feststellen werde, ist das auf dem Kattegatleden leider oft gang und gänge!
Etappen sorgfältig planen
Ja, ich habe fünf Tagesetappen für die Route eingeplant, obwohl die offizielle Kattegatleden Website acht empfiehlt. Sportlich brauche ich mir zwar nichts zu beweisen, aber ich finde bereits im Mai in Orten wie Varberg und Halmstad keine bezahlbaren Unterkünfte mehr. Jetzt oute ich mich: Ich bin weder Camping-Fan noch habe ich Lust, meine Camping-Aufrüstung auf dem Fahrrad mitzuschleppen und bei jedem Wetter mein Zelt auf- und abzubauen. Luxus auf Radreisen ist mir unwichtig, doch ein Pensions-, Hostel- oder Privatzimmer sollte im Budget sein. Wegen der vielerorts saftigen Übernachtungspreise werden aus acht Etappen fünf.
Am ersten Tag auf dem Kattegatleden radele ich bis Kungsbacka. Laut Angaben auf den Wegweisern ist die Strecke 64 Kilometer lang und voller unnötiger Umwege. Vor allem die letzten 25 Kilometer solltest du dir sparen – es sei denn, du liebst es, dich beim Radfahren mit Autolärm vollzudröhnen. Unterwegs entdeckt man ruhigere Abkürzungen, die ich alle links liegen lasse. Schließlich will ich ja von mir behaupten, den Radweg komplett gemeistert zu haben. Was für ein Schmarrn im Nachhinein! Die schönsten Streckenabschnitte liegen im Umland von Göteborg an der Küste, wo der Blick auf felsige Schäreninseln fällt.
Malerisches Etappenziel Kungsbacka
In Kungsbacka erwarten mich malerische alte Holzhäuser, niedliche Läden, Cafés und ein Markt. Nach der ersten Etappe auf dem Fahrrad lässt sich dort entspannt am Nachmittag flanieren. Praktischerweise läuft der Kattegatleden direkt durch die Innenstadt, so dass sich eine längere Verschnaufpause lohnt, selbst wenn du anderswo übernachtest. Ich verbringe die Nacht auf einem Bauernhof vor den Toren der Stadt. Hier bin ich umgeben von üppiger Natur, Pferden, Babykatzen, Hunden und freue mich über die Gesellschaft der gesprächigen Wirtin. Eine tolle Gelegenheit, Schwedisch zu üben!
Radreise mit starkem Gegenwind
Am zweiten Tag meiner Radreise durch Schweden breche ich zeitig auf, weil die Doppel-Etappe bis Falkenberg offiziell 111 Kilometer von mir abverlangt. Wäre die Landschaft flach und die Seebrise lau, könnte ich die Distanz sicher als gemütliches Genussradeln verbuchen. Stattdessen geht es hoch und runter, während mir ein heftiger Gegen- und Seitenwind entgegen fegt. An die stürmischen Winde an der rauen schwedischen Westküste werde ich mich im Laufe der Tour noch gewöhnen. Wie ich in Radreisen-Videos auf YouTube gelernt habe, ist der starke Gegenwind ein typisches Phänomen auf dem Kattegatleden. Der Wind hat wirklich leichtes Spiel mit Radfahrern, denn es gibt nur wenige bewaldete Streckenabschnitte.
Falls du zu sehr aus der Puste kommst, hast du die Möglichkeit, zwischendurch ein Stück mit dem Öresundtåg zu fahren. Wichtig ist, dass du in diesen schwedisch-dänischen Zug steigst, weil die schwedische Eisenbahn (SJ) keine Fahrräder mitnimmt. Über den „Besenwagen“ auf Schienen denke ich immer mal wieder nach und lasse es dann doch bleiben. Mir reicht es, öfters an Stränden und Sehenswürdigkeiten Pausen zu machen.
Sehenswürdigkeiten am Kattegatleden
Eine Hauptattraktion des Radwegs befindet sich in Varberg in der Provinz Halland: die Festung aus dem 13. Jahrhundert, die im 17. Jahrhundert in ein Gefängnis umgewandelt wurde und wo noch bis 1931 Häftlinge gefangen gehalten wurden. Rund um die dicken Festungsmauern und am Wasser herrscht reges Treiben. Varberg wartet immerhin auch mit feinen Sandstränden und einigen Bootstouren auf. Es ist eine Stadt, in der ich gerne eine Nacht bleiben würde, aber … Nun ja, die Gründe habe ich erläutert.
Während ich weiter auf dem Kattegatleden in die Pedale trete, genieße ich den Blick auf die felsige Küste mit den pittoresken Fischerdörfern, wo ich gerne zum Verschnaufen Halt mache. Am Abend in Falkenberg bin ich froh, mich in ein weiches Bett fallen lassen zu können!
Am nächsten Morgen erkunde ich den charmanten alten Stadtkern Gamla Stan mit den bunten Häusern und Rosenbögen rund um die Kirche. Eine ähnliche Architektur kenne ich schon aus Ystad und Simrishamn, wo ich auch noch Station mache werde. Alles zu seiner Zeit und längst nicht mehr auf dem Kattegatleden. Ich habe mir für die aktuelle Schweden Reise eine Menge vorgenommen!
Das Wahrzeichen von Falkenberg ist die Tullbron (Zollbrücke). Sie gehört zu den eindrucksvollsten Steinbrücken Schwedens, weshalb du sie dir unbedingt anschauen solltest. Anschließend mache ich noch einen Abstecher zum Skrea Strand und setze meine Reise fort.
Natur, Hofcafés und schmucke Städte
In der Nähe des Dörfes Steninge lädt das Grimsholmen Naturreservat zu einem Spaziergang durch saftige Wiesen bis zum Strand ein. Mir begegnen Kühe, andere Radfahrer, die die gleiche Idee hatten wie ich und die Hütten am Strand könnten wohl auch als Kulissen für einen Wikinger-Film dienen.
Während ich weiter durch hügelige Landschaft strampele, habe ich das Bedürfnis, in einem heimeligen Hofcafé eine Kleinigkeit zu essen. Es ist eines der typischen roten Schwedenhäuser, weshalb ich mir wie in einem Astrid-Lindgren-Film vorkomme. Der Kattegatleden bietet unzählige solcher Hofläden und Cafés, ebenso Windmühlen und weiße Kirchen wie aus dem Bilderbuch. Tausend Möglichkeiten, die Batterien genussvoll wieder zu laden!
Der Radweg führt weiter in die Residenzstadt Halmstad, die in mir Erinnerungen an Malmö, Lund und Helsingborg weckt. Eine lebhafte Sommerstadt mit einem Schloss aus dem 17. Jahrhundert, vielen Shopping-Möglichkeiten, Lokalen und Veranstaltungen. Kein Wunder, dass die Übernachtungspreise so in die Höhe geschossen sind. Daher darf ich mich noch ein bisschen länger sportlich betätigen.
Eigentlich gilt Laholm als Abstecher vom Kattegatleden. Ich lande genau dort, weil ich in Hallands ältester Stadt ein günstiges B&B gefunden habe. Um sie zu erreichen, nehme ich eine knappe halbe Stunde Umweg in Kauf. Das lohnt sich, denn die Altstadt Gamleby ist klein, aber fein. Rund um den Marktplatz stehen bunten Häuser aus dem 18. Jahrhundert und an vielen Ecken entdeckt man Skulpturen, zum Beispiel eine Pippi Langstrumpf auf einem Springbrunnen.
Radfahren zwischen Hügeln und Meer
Schnell bin ich zurück auf der Hauptroute und begrüße am nächsten Morgen in Mellbystrand das Meer. Die Sicht reicht schon bis Båstad, wo ich mich ein bisschen länger an der Promenade treiben lasse. Der Ort ist sehr touristisch, aber hübsch, hat einen breiten Sandstrand und ein vielfältiges gastronomisches Angebot. In den Bergen jenseits der Stadt scheine ich irgendwo die Wegweiser zu verlieren und gewinne noch viel mehr: selbst geerntete Kirschen en masse. 2022 ist ein Mega-Kirschjahr! Noch am Abend in Ängelholm zehre ich von meiner Ernte.
Die Kirschen sind meine Rettung, denn südlich von Båstad mangelt es am Kattegatleden an Supermärkten. Hungrig fahre ich weiter durch die ersten Ausläufer von Skåne, bis ich in Vejbystrand endlich eine preiswerte Pizzeria entdecke.
Achtung, Bauarbeiten bei Ängelholm
Ängelholm ist sonntags wie ausgestorben, hat aber nördlich der Innenstadt ein paar Badestrände zu bieten. Wenn du zurzeit Richtung Helsingborg weiterfährst, solltest du dich auf Bauarbeiten südlich des Zentrums gefasst machen. Das heißt, sowohl der Kattegatleden als auch der Fernwanderweg Skåneleden sind gesperrt und Umleitungen lotsen Radler über Schotterwege zurück auf den Weg. Während dieser Odyssee lande ich an einem Strand namens Sibirien!
Der Kattegatleden umrundet die Halbinsel Kulla, führt durch einige der wenigen schwedischen Weinberge und beschert mir wieder einiges an Gegenwind. Als mir in Höganäs ein Wegweiser verkündet, dass nur noch 22 Kilometer bis nach Helsingborg vor mir liegen, spüre ich schon Vorfreude auf das Ziel in mir aufsteigen. Dieses Gefühl feiere ich mit einem großen Eis, das ich mir nach all den anstrengenden Etappen verdient habe.
Zwischen Höganäs und Helsingborg ist ein Hafenort schöner als der andere. Ich stoppe noch hier und da, ehe ich mich triumphierend in eine der ältesten Städte Skandinaviens einrollen lasse. 2021 habe ich sie schon besichtigt: das königliche Schloss Sofiero, den Festungsturm Kärnan oder die St.-Marien-Kirche. Helsingborg ist das Ende des Kattegatledens und läutet den Anfang eines neuen Touren-Abschnitts ein: den Sydkustleden. Die Reise durch Schweden geht also demnächst hier auf Reise-Liebe mit weiteren Artikeln und Videos weiter! (as)
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