Mit 268,71 Quadratkilometer Fläche ist El Hierro die kleinste kanarische Insel, wenn man La Graciosa und die Isla de Lobos außen vor lässt. Sie liegt auch am westlichsten und hat sich ihren ursprünglichen Charakter bewahrt. Urlauber tummeln sich hier kaum – in dem Biosphärenreservat gibt es weder touristische Lokale, große Hotels noch Halligalli am Strand. Die 11.806 Einwohner (Stand: 2024) bleiben weitgehend unter sich, und beim Wandern auf El Hierro trifft man kaum eine Menschenseele.
In diesem Artikel erfährst du, was dich bei Wanderungen durch die atemberaubende Natur der Insel erwartet und wie du dich optimal auf ihre landschaftlichen und klimatischen Eigenarten vorbereitest.
Wandern auf El Hierro durch Weiden und Wald
Wie auf allen kanarischen Inseln ist der Hauptwanderweg rot markiert, während es sich bei gelbweißen Wegweisern um Nebenstrecken handelt. Die Hauptroute – der Camino de la Virgen (zu Deutsch: Weg der Jungfrau) – hat eine Gesamtlänge von 27 Kilometern und schlängelt sich durch das zentrale Hochland, wo an klaren Tagen spektakuläre Panorama-Aussichten auf Gipfel, Berghänge und den Atlantik möglich sind.
Es ist spannend zu erleben, wie sich die Landschaft ständig ändert: Im Norden der Insel läuft man durch saftig grünes Weideland, dessen Flächen durch rustikale Steinmauern voneinander abgetrennt sind. In dieser Idylle grasen Kühe, Schafe und Pferde. Stünden nicht hier und da Agaven und Feigenkakteen am Wegesrand, könnte sich die nordisch herbe Szenerie voller sanfter Hügel genauso gut in Irland oder Großbritannien befinden.

Wandern auf El Hierro erinnert beim Durchqueren der Lorbeer-, Wacholder- und Kiefernwälder ebenfalls an benachbarte Inseln im Archipel. Der vernebelte Lorbeerwald weckt zum Beispiel Erinnerungen an märchenhafte Pfade im Anaga Gebirge auf Teneriffa. Dagegen hat der Kiefernwald rund um El Pinar Ähnlichkeiten mit Kiefernwäldern auf La Palma.
Eine sagenumwobene Naturschönheit im Nebelwald von El Hierro ist der Árbol de Garoé in der Nähe von San Andrés: Die Ureinwohner verehrten diese Stinklorbeer als heiligen Baum. Obwohl der Originalbaum im 17. Jahrhundert von einem Sturm niedergerissen wurde, strahlt auch das 1949 gepflanzte Exemplar eine mystische Energie aus. Der Baum steht in einer Grotte, die wie ein Portal ins Reich der Waldfeen wirkt.

Wandern durch unterschiedliche Wetterzonen
Die Wahrscheinlichkeit, dass Garoé und der Rest des Hochlands von einer dichten Wolkendecke überzogen sind, ist extrem hoch – zumindest bei Wanderungen auf El Hierro im April. Während man fröstelnd durch die weißen Schleier aus Nebelschwaden navigiert, wirbelt ein peitschender Wind durch die Haare. Wer in Bergdörfern wie San Andrés lebt, wagt sich an solchen Tagen womöglich nur in Winterjacke und langer Hose vor die Haustür. Auch in der Inselhauptstadt Villa de Valverde, die 590 Meter über dem Meeresspiegel liegt, ist es empfehlenswert, tagsüber mindestens eine leichte Jacke anzuziehen. Die „Dachspitze“ des Eilands ist 1.501 Meter hoch und im April so stark von Wolken verhangen, dass es sich nicht lohnt, sie zu erklimmen. Schließlich schirmt eine dicke Nebelwand den Blick von der Aussicht ins Tal ab.
Je näher man jedoch beim Wandern auf El Hierro den Stränden kommt, desto angenehmer werden die Temperaturen. Auf der Insel ist es gang und gäbe, dass sich in den Bergen und über den Weiden Wolken stauen und es des Öfteren regnet, während in Küstendörfern wie El Tamaduste, Pozo de las Calcosas und La Caleta Menschen bei herrlichem Frühsommerwetter im Meer baden. Sommertemperaturen herrschen an der Südküste, etwa an den Stränden von Restinga und Tacorón. Manchmal ist es deshalb ratsam, eine Wanderpause zu machen und sich bei Sonnenschein an einer Erfrischung im türkis leuchtenden Wasser zu erfreuen.

Starke Gefälle auf Wanderwegen zum Meer
Die Wanderwege von den Höhenlagen Richtung Küste zeichnen sich durch dramatische Gefälle aus, sind steinig oder voller Schotter und Vulkanasche. Wer sich ohne Wanderstöcke auf den Abstieg einlässt, der riskiert zu stolpern oder wegzurutschen. Ein besonders steiles, rutschiges Beispiel ist der rund dreieinhalb Kilometer lange Weg von Valverde nach El Tamaduste. Was auf dem Wegweiser wie ein Katzensprung aussieht, wird durch die Langsamkeit des Gehens in die Länge gezogen.
Einmal rät mir meine Intuition beim Wandern auf El Hierro sogar, einen Abstieg abzubrechen und umzukehren. Nachdem ich auf dem Mirador de Isora den von majestätischen Klippen gesäumten Strandabschnitt Las Playas bewundert habe, zieht es mich an dieses paradiesische Fleckchen Erde. Auf dem Wanderweg nach unten scheint es aber eine Menge Steinschlag gegeben zu haben. Obwohl ich weiter will, hindert mich eine unsichtbare Kraft am Abstieg. Am nächsten Tag nehme ich einen Bus von Valverde nach Las Playas. Schließlich erzählt mir ein Auswanderer, dass der Wanderweg eigentlich gesperrt sein müsste und wegen einer 1,80 Meter breiten Felsspalte unpassierbar sei. Noch mal Glück gehabt!

Asphalt und mangelnde Markierungen
Die angebliche Sperrung der Wanderstrecke ist aber nicht vorhanden – weder oben am Aussichtspunkt noch unten am Strand. Ab und zu fehlen auch Markierungen bei Abzweigungen oder sie sind so verblasst, dass man sie kaum noch sieht. Außerdem führen viele Wege kilometerweit über Asphaltstraßen. Ein Beispiel ist der gelb markierte Camino de los Pastores, der eine traumhafte Aussicht auf die karge Südküste gewährt und dann in einen Aufstieg fast bis zum Inseldach mündet. Immer wieder stelle ich fest: Wandern auf El Hierro ist ein Abenteuer und mehr als einmal wünsche ich mir einen Wander-Buddy an meiner Seite.

Öffentliche Busse auf El Hierro
Glücklicherweise verfügt die Insel über ein dichtes Netz aus Buslinien, so dass man sich jeden Tag kürzere Streckenabschnitte zum Wandern vornehmen kann – lediglich der Südwesten und die Südküste (außer Restinga) werden davon nicht abgedeckt. Die Fahrpläne findest du auf der Website von Transhierro. Wichtig zu wissen: Samstags, sonntags und an Feiertagen verkehren die Busse wie auf allen kanarischen Inseln seltener.
Pro Fahrt zahlt man 1,35 Euro (Stand: 2025), egal wie weit man fährt. Im Gegensatz zu La Gomera, wo einem häufig wegen Überfüllung durch Touristen aus Valle Gran Rey der Zustieg verweigert wird, bekommt auf El Hierro jeder einen Platz. Busse wirken wie Fortbewegungsmittel der Einheimischen. Die wenigen Urlauber auf der Insel tendieren eher dazu, mit einem Mietwagen von einem Aussichtspunk zum nächsten zu reisen.
Abenteuer Wandern auf El Hierro
Wie du nun weißt, wirst du beim Wandern auf El Hierro auf einige Herausforderungen stoßen, doch die Schönheit der Landschaft wird dich für deine Mühen belohnen. Sinnvoll ist, dir in einer Touristeninformation eine Wanderkarte zu besorgen. Auf der Rückseite wird anschaulich erklärt, wie viele Höhenmeter auf den einzelnen Wegen zu überwinden sind. So kannst du dich auf bevorstehende Anstrengungen vorbereiten. Wenn du zusätzlich feste Wanderschuhe, Wanderstöcke und Kleidung für die unterschiedlichen Wetterzonen mitgenommen hast, bist du gut für die kleine, aber feine Perle im Atlantik gewappnet. (as)
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