Radfahren auf Usedom: Per Mietrad die Insel entdecken

Dorfteich Stolpe Usedom

Die ganze Zeit am Strand rumhängen finde ich langweilig. Auch an so einem traumhaft breiten Sandstrand wie im Seebad Heringsdorf auf Usedom! Mit ist klar, dass ich bei meinem dreitägigen Kurztrip an die Ostsee nicht die ganze Insel abklappern kann – immerhin ist sie die zweitgrößte in Deutschland. Beim Radfahren auf Usedom komme ich zumindest ganz leicht an ein paar Orte außerhalb der Kaiserbäder.



Mieträder warten in den Urlaubsorten quasi an jeder Ecke. Keine fünf Gehminuten von meinem Hotel in Heringsdorf entdecke ich einen Laden von Mietrad-Usedom, der Tourenräder mit acht Gängen für acht Euro pro Tag anbietet. Weil ich den fahrbaren Untersatz zwei Tage behalte, ergattere ich sogar zehn Prozent Rabatt und kann für 14,40 Euro die Insel erkunden. Eine kleine Landkarte zur Orientierung ist im Preis inklusive.

DDR Museum Usedom
Foto: Reise-Liebe

Als erstes fahre ich ganz gemütlich auf der Seepromenade Richtung Ahlbeck spazieren. Hin und wieder stoppe ich, um ein paar altehrwürdige Villen aus der Kaiserzeit zu bewundern. Davon stehen hier wirklich mehr als genug, allerdings stören auch so einige Post-2000er-Luxushotelbunker das Blickfeld. Sie passen wirklich gar nicht zum preußischen Seebad-Charme.



Radfahren auf Usedom nach Polen

Hinter Ahlbeck durchquere ich einen Wald und finde mich in Nullkommanichts an der deutsch-polnischen Grenze wieder. Schengen sei Dank, habe ich freie Fahrt ohne Zollhäuschen und Ausweiskontrolle. Auf der Begegnungsplattform halte ich trotzdem an, denn an der Grenzlinie wurden Infotafeln aufgestellt.

Deutsch-polnische Grenze auf Usedom
Foto: Reise-Liebe

Mit dem einen Bein in Deutschland stehend und mit dem anderen in Polen, lese ich mich schlauer: Die grenzüberschreitende Promenade wurde zwischen 2007 und 2013 aus Mitteln des „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“ gefördert. Die Grenzlinie mündet in einen Weg aus Holzplanken, der zum Ostseestrand führt. Links und rechts ragen Grenzpfeiler in den deutschen und polnischen Landesfarben empor.



Nachdem ich meine Radtour ein wenig fortgesetzt habe, bin ich schon an der Promenade von Swinemünde. Seit die ehemals deutsche Stadt 1945 von den vier Siegermächten Polen zugesprochen worden ist, heißt sie Swinoujście. Ich nenne sie im Folgenden weiter Swinemünde, weil mir das leichter fällt als der polnische Zungenbrecher-Name. 😉

Grenzbach auf Usedom
Foto: Reise-Liebe

Auf dem Polenmarkt

Während mein wenige Kilometer entfernter Urlaubsort Heringsdorf mit Massen von Designerläden glänzen will, ist die Masche, Touris in Swinemünde das Geld aus der Tasche zu ziehen, eine andere. Jenseits der Staatsgrenze wird Billig auf Usedom ganz groß geschrieben – auch qualitativ. Auf dieser Seite von Uznam (polnischer Name der Insel) locken Marktstände und kleinere Läden mit allerhand Ramsch wie kitschigem Modeschmuck und Plastik-Spielsachen. Wechselstuben (auf Polnisch: Kantor) animieren Besucher aus Deutschland, zum ungünstigen Kurs ihre Teuros gegen Złoty zu tauschen. Dank meiner Polen-Kurztrips habe ich natürlich schon polnische Scheinchen im Portemonnaie.



Während ich durch die Hotelzone spaziere, fällt mir auf, dass das Essen in den Restaurants nur noch halb so viel kostet wie auf der deutschen Seite. Derweil sprießen graue Hotelanlagen wie Pilze aus dem Boden. Grüne Küstenstreifen werden gerodet. Baukräne erheben sich in luftige Höhen und ich reiße in diesem Artikel mal wieder das Maul auf gegen den Kapitalismus-Tourismus. Obwohl es nichts bringt! 🙁

Radfahren auf Usedom
Foto: Reise-Liebe

Im einstigen Weltbad Swinemünde

Allzu einladend ist dieses Viertel von Swinemünde nicht, so dass ich mich wieder auf den Sattel meines leuchtend orangenen Drahtesels schwinge und das Stadtzentrum anvisiere. Ich beobachte riesige Fähren, die zwischen der 40.000-Einwohner-Stadt und dem schwedischen Trelleborg verkehren. In zwei Festungen aus dem Zweiten Weltkrieg kann man Bunkeranlagen besichtigen. Die lasse ich hinter mir liegen – schon das Stadtbild zeigt Spuren aus dieser Zeit.

Am 12. März 1945 haben US-Streitkräfte das preußische Seebad von Welt in Schutt und Asche gelegt. Nicht etwa, weil sich dort Nazigrößen verbarrikadiert hatten: Dieser Luftangriff galt der Zivilbevölkerung, Flüchtlingen aus Pommern auf dem Weg nach Westen. Angeblich kamen in Swinemünde 23.000 Menschen ums Leben, die Zahlen schwanken.

Als ich die triste Nachkriegsarchitektur im Hafenbereich betrachte, denke ich an meine Großmutter … Ihr Weg nach Westdeutschland war ein anderer. Auf dem zentralen Platz lassen ein paar wiederaufgebaute Häuser erahnen, wie Swinemünde vor dem Bombenhagel aussah.

Swinemünde
Foto: Reise-Liebe

Piroggen zum Mittagessen

Händler werben für billige Zigaretten – die militante Nichtraucherin gönnt sich im Restaurant Neptun ein zünftiges Mittagessen. In Polen müssen es natürlich wieder Piroggen sein. Ich liebe sie und könnte sie wahrscheinlich selbst nicht so lecker zubereiten! Mit den Teigtaschen im Magen bin ich gut gestärkt fürs Radfahren auf Usedom.

Piroggen im Restaurant Neptun Swinemünde
Foto: Reise-Liebe

Nach dem Essen mache mich auf den Rückweg nach Deutschland. Ein Bach in der Nähe des Dorfes Kamminke bildet die Grenze. Kurz dahinter erreiche ich einen Ort der Erinnerung: eine Kriegsgräberstätte mit Massengräbern auf dem sogenannten Golm, wo die Bombenopfer aus Swinemünde verscharrt wurden.

Dorfkirche auf Usedom
Foto: Reise-Liebe

Hügeliges Radfahren auf Usedom

Ohne Halt widme ich meine Aufmerksamkeit den grünen Wiesen und den malerischen Dörfern. Wer glaubt, Usedom sei norddeutsch platt, der irrt sich gewaltig! Es geht ständig bergauf und bergab, stückchenweise durch dichten Wald, über Feldwege und schmale Landstraßen. Manchmal sehe ich im Süden das Stettiner Haff funkeln.

Dorf auf Usedom
Foto: Reise-Liebe

Bei gelegentlichen Pausen besichtige ich zum Beispiel eine Bilderbuch-Dorfkirche mit Friedhof und stelle fest, dass manche Einheimische vor ihren Häusern Obst, Gemüse, Säfte, selbstgekochte Marmeladen und Honig vor dem Gartenzaun anbieten. Bezahlung gegen Kasse des Vertrauens. So etwas kenne ich aus meinem niedersächsischen Heimatdorf gar nicht.

Reethaus auf Usedom
Foto: Reise-Liebe

Idyllisches Dorf Stolpe

Beim Radfahren auf Usedom bekommt man auch immer wieder Reethäuser zu Gesicht, wie etwa im Dorf Stolpe. Wer einen Ostsee-Urlaub ohne den Trubel der bekannten Seebäder bevorzugt, ist in einer Ferienwohnung an diesem ruhigen Fleck Erde ganz idyllisch aufgehoben. Etwa bei Spaziergängen zum Dorfteich, zur roten Backsteinkirche oder zum Schloss Stolpe. Schon Anfang des 13. Jahrhunderts war es Sitz der Familie von Schwerin, heute dient es als kultureller Veranstaltungsort.

Schloss Stolpe auf Usedom
Foto: Reise-Liebe

Das Wasserschloss Mellenthin

Nicht das einzige Schloss auf der Insel: Mein nächstes Etappenziel ist das Wasserschloss Mellenthin. Das ehemalige Gut der adligen Familie von Neuenkirchen beherbergt ein Hotel, ein Ausflugsrestaurant und eine Brauerei. Wer die schmale Brücke zum Lokal passieren will, muss zwei Euro Wegezoll löhnen. Dieser Obulus wird allerdings beim Verzehr verrechnet.

Ob man in Mellenthin auch ein Mädchenbier mit Fruchtgeschmack bestellen kann? Leider nein! Es gibt Helles, Dunkles oder Rauchbier. Also verzichte ich auf ein Inselbier und erfrische mich mit der auf Usedom hergestellten Limonade. Leider Industrieware wie Fanta und Co. – hausgemacht schmeckt anders!

Wasserschloss Mellenthin
Foto: Reise-Liebe

Mellenthin gilt als Mittelpunkt von Usedom. Im Sommer werden Unternehmungslustige auch mit Planwagen zum gutbürgerlichen Abendessen mit Bier zum Schloss gekarrt. Anders als bei einer Radtour können sie dann so viel trinken, wie sie lustig sind …

Hin und wieder wünsche ich mir sehnlichst ein Mountainbike herbei. Weil ich total darauf stehe, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und querfeldein durch die Landschaft zu strampeln! Manche Feldwege sind aber so sandig, dass ich kurz davor bin, beim Radfahren auf Usedom zur Seite zu kippen.

Sandiger Radweg auf Usedom
Foto: Reise-Liebe

Süßwasserseen auf Usedom

Die Süßwasserseen der Insel – ja, es gibt nicht nur die Ostsee – erreicht man ohne Ortskenntnisse gar nicht so leicht. Das Ufer ist oft voller Gestrüpp. Am Gotensee bei Goten muss ich umkehren, Sackgasse! Fragen hilft aber auch in Zeiten von Google Maps. Eine Dorfbewohnerin empfiehlt mir, zum Wolgastsee nach Koswandt zu fahren. Und siehe da – ich bekomme doch noch Seeidylle à la Liepnitzsee. Zwei oder drei Angler haben sich auf den Holzstegen ein Plätzchen gesucht.

Wolgastsee auf Usedom
Foto: Reise-Liebe

Etwa drei Kilometer und ein steiler bewaldeter Berg trennen den Wolgastsee vom Kaiserbad Ahlbeck. Ich schaffe ihn fast ohne Schieben und hätte gerne beim Radfahren auf Usedom noch so viel mehr entdeckt. Vielleicht ein anderes Mal! (as)

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