Meine Radtour Dresden Prag hat ihre Wurzeln in einer zufälligen Begegnung. Genau ein Jahr zuvor sitze ich im Eurocity von Bratislava nach Berlin, als in der „goldenen Stadt“ gut gelaunte Radfahrer zusteigen, die diesen Trip gemacht haben. Plötzlich ruft eine Stimme in mir: „Ich will auch!“ Dabei habe ich nicht einmal ein Fahrrad.
Ende März hat sich das noch nicht geändert. Trotzdem buche ich schon mal Radfahrerunterkünfte am Elberadweg und ein Zugticket von Berlin nach Dresden inklusive Fahrradkarte. Außerdem kümmere ich mich um die Rückfahrt, allerdings ist es wegen der Auslandsverbindung nicht möglich, online ein Rad zu reservieren.
Fahrradkarte früh reservieren
Das Thema Fahrradkarte von Prag nach Berlin lege ich daraufhin zu den Akten und schaffe mir als erstes ein Fahrrad mit Lenkertasche und zwei Taschen für den Gepäckträger an. Ungefähr zwei Wochen vor der Abreise denke ich an das fehlende Ticket und bequeme mich zum Schalter der Deutschen Bahn – zu spät! Da der Eurocity nur acht Fahrradplätze hat, sind längst alle ausgebucht.
„Aber ich kann doch mein Fahrrad nicht in Prag lassen“, gebe ich dem Fahrkartenverkäufer zu verstehen.
Er schlägt mir eine Verbindung zwei Stunden früher vor – statt sechs kostet die Fahrradkarte diesmal zehn Euro und das Ticket für mich selbst 16 und ein paar Cent. So viel, wie ich schon in die ursprüngliche Rückfahrkarte investiert habe. Etwas ärgerlich, aber zum Glück kein Vermögen, das nun verfällt. Und was habe ich daraus gelernt? Die Fahrradkarte für den Eurocity sollte man so früh wie möglich kaufen!
Funktionskleidung tragen
Lernen durfte ich im September 2018 auch bei längeren Radtouren in Kroatien. Am Ende des Tages tat mein Allerwertester vom Sitzen auf dem Sattel höllisch weh! Mein Bruder gibt mir Ostern wertvolle Tipps: gepolsterte Radlerhosen und Funktions-T-Shirts. Ich nehme mir die Ratschläge zu Herzen und stiefele nochmals zum Fahrradladen …
So bin ich am 27. April top ausgerüstet, als ich in den hintersten Wagen des Eurocitys nach Budapest klettere. Alles ist furchtbar eng! Und wie ich mir schon denken konnte, bin ich nicht die einzige Radfahrerin. Trotzdem habe ich am Dresdener Hauptbahnhof genügend Zeit, um mich durch die schmale Waggontreppe auf den Bahnsteig zu quetschen.
Action Cam filmt Radtour mit
Durch den Trubel der Innenstadt strampele ich Richtung Elbufer. Am Dresdener Schloss befindet sich eine Riesenbaustelle, trotzdem gerate ich mitten in eine Touri-Gruppe, der ich über eine Brücke ans andere Ufer entfliehe. Dort schieße ich noch ein Elbflorenz-Bild und presche endlich nach Süden Richtung Pirna. Auf meinem Helm filmt meine nagelneue Action Cam Teile der Reise mit, doch kurz vor Pirna nimmt dieses Projekt zwischenzeitlich ein jähes Ende.
Ein anderer Radfahrer spricht mich an, gibt sich als Experte für Action Cams aus und glaubt, dass ich die ganze Zeit nur meinen Fahrradhelm aufnehme. Hoch oben auf meinem geschützten Haupt thront nämlich die Kamera. Später stellt sich die Vermutung des Mannes als falsche Spekulation heraus, allerdings fehlen mir jetzt Filmsequenzen aus Pirna und anderen Bilderbuchorten wie Wehlen und Rathen mit der berühmten Felsen-Bastei.
Fähren der Radtour Dresden Prag
Trotz dieser Tatsache und des nicht ganz so wolkenlosen Himmels genieße ich die Reise, fahre vorbei an Elbschlössern, der Brücke „Blaues Wunder“ und plötzlich rüttelt mich ein Kopfsteinpflaster heftig durch. Der Weg ist nicht mehr weit bis zur ersten Fährstation, wo ich ans rechte Elbufer übersetze und einen super asphaltierten Radweg unter die Reifen bekomme. Pro Person plus Fahrrad kostet eine einfache Fahrt 2,50 Euro – wie bei allen Fährstationen auf der deutschen Seite der Radtour Dresden Prag.
Malerisches Pirna
Meine erste Pause mache ich auf dem historischen Marktplatz von Pirna, der ein tolles Fotomotiv abgibt und im Gegensatz zur Dresdener Innenstadt original erhalten ist. 775 Jahre ist die sächsische Stadt alt, das Rathaus fasziniert mit gotischen Portalen und auch die Häuser drum herum animieren mich zum Fotografieren. Ohne das bepackte Fahrrad würde ich auf einem Hügel die Festung Sonnenschein besichtigen. Stattdessen schiebe ich mich durch die Gassen und erfrische mich mit einem fruchtigen Smoothie.
Etappenziel Königstein
Danach bestreite ich den zweiten Teil der Etappe zu meiner ersten Unterkunft in Königstein in der sächsischen Schweiz. Einladende bunte Ortschaften versüßen mir den Weg, ansonsten grün leuchtendes Elb-Panorama. Dramatische Anstiege bleiben mir erspart, so dass ich mich voll auf die Landschaft konzentrieren kann.
Mein idyllisch gelegenes Quartier ist ein Gästehaus für Naturfreunde direkt am Fluss. Meinen Drahtesel schließe ich in einem Fahrradraum ein. Dort wird er auch fürs erste verweilen, weil ich Pfingsten 2018 beim Wandern im Elbsandsteingebirge auf den Geschmack gekommen bin und für den zweiten Tag der Tour eine Wanderung ohne Radfahren auf dem Plan habe.
Pfaffenstein & Festung Königstein
Der Herr an der Rezeption empfiehlt mir, auf den Pfaffenstein und die Festung Königstein zu steigen. Königstein ist ein Ort wie aus einem Märchenbuch. Auf den Waldwegen spüre ich wieder ein Gemeinschaftsgefühl wie vor knapp einem Jahr. Schnell kommt man mit anderen Wanderern ins Gespräch. Wenn man sich unsicher fühlt wegen der Strecke, begegnet einem immer jemand, der sich auskennt.
Durch das sogenannte Nadelöhr hangele ich mich über Felstreppen und Leitern den Pfaffenstein hinauf. Für die Anstrengung wird man oben mit einer spektakulären Aussicht belohnt. Wer es bis dahin geschafft hat, sollte auch noch den Turm beim Wirtshaus besteigen und dem Wegweiser zur Felsnadel Barbarine folgen. Hier beobachte ich waghalsig wirkende Kletterer, die es sich auf der Spitze einer benachbarten Felssäule gemütlich gemacht haben.
Nach meinem Pfaffenstein-Abenteuer habe ich noch Energie für den Aufstieg zur Festung Königstein. Sie wurde auf einem Felsplateau 240 Meter über der Elbe errichtet und gilt als eine der größten Bergfestungen in Europa. Am Kassenhäuschen überlege ich kurz, ob mir die Eintrittskarte wirklich zwölf Euro wert ist. Meine Entscheidung für die Besichtigung zahlt sich aus: mit traumhafter Aussicht auf die Natur, ein paar Ausstellungen über die jahrhundertealte Geschichte der Burg und mehr als 50 Bauten auf dem 9,5 Hektar umfassenden Areal.
80 Kilometer im Dauerregen
Obwohl ein strahlend blauer Himmel Seltenheitswert hat, bleibt es den ganzen Tag trocken. Das soll sich am nächsten Morgen gewaltig ändern. Als ich aufstehe, schüttet es. Zögerlich und missgestimmt frühstücke ich, schaue mir durchs Fenster die Regentropfen an und komme zu dem Schluss, dass dies alles andere als ein kleiner Schauer sein kann.
Meine Mutter rät mir per WhatsApp, die Radtour Dresden Prag abzubrechen. Wenn nicht, hole ich mir ihrer Meinung nach eine Erkältung. Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und Co. haben aber den ganzen Winter einen Bogen um mich gemacht, also schlüpfe ich in meine Regenjacke und schwinge mich auf den Sattel. Nach Bad Schandau, Schmilka und Schöna überquere ich auch schon die offene deutsch-tschechische Grenze.
An beiden Elbufern erheben sich sattgrüne Hügel, aus deren Wäldern mächtige Sandsteine ragen. Die Etappe durch die sächsisch-böhmische Schweiz erweist sich als die landschaftlich spannendste. Ausgerechnet die gestaltet sich total verregnet. Ich will nur noch vorwärts, vorwärts, vorwärts! Nicht einmal die Burg von Děčin lockt mich bei diesem Mistwetter zu einer Besichtigung. Außerdem verliere ich mitten in den nervigen Regenschwaden den Radweg, der genau bei der Burg am anderen Flussufer weitergeht.
Das Treten in die Pedale nach Ustí nad Labem (tschechisch: Labe = Elbe) kommt mir endlos lange vor und die letzten 25 Kilometer nach Leitmeritz (Litoměriče) wie eine Tortur. Kurz hinter Ustí stoße ich auf ein Hindernis: eine Industrieanlage und der Europa-Radweg 2 führt allen Ernstes über deren Treppen. Schilder beweisen es! So irrsinnig die Sache auch geregelt ist: Ich habe keinen Nerv, dieses Unding filmisch oder fotografisch zu dokumentieren und brülle mir vor Frust fast die Seele aus der Kehle. Keine Ahnung, wie ich es alleine schaffe, das Fahrrad samt Gepäck erst rauf und dann wieder runter zu schleppen.
Etappenziel Leitmeritz
Je weiter ich radele, desto mehr Wasser prasselt aus den Wolken. Als ich mein liebevoll eingerichtetes Pensionszimmer in Leitmeritz erreiche, bin ich kaum noch ansprechbar. Nach einer warmen Dusche fühle ich mich erstaunlich regeneriert – und fit genug für einen ersten Stadtrundgang. Wie Petrus es offenbar wollte: Sofort nach meiner Ankunft schließt er die Himmelsschleusen. Hätte ich vorher von seinen Schandtaten gewusst, wäre ich vielleicht mit der Bahn gefahren.
Matschwege der Radtour Dresden Prag
Nach einem tiefen Schlaf spaziere ich am Morgen noch einmal durch die hübsche Altstadt von Leitmeritz. Endlich scheint die Sonne und bis zum nächsten Etappenziel in Mělník brauche ich nur 48 Kilometer zu strampeln. Ein perfekter Ritt, wären da nicht die Matschwege, die wegen des Regens von riesigen Pfützen durchzogen sind. Da ist stellenweise Schieben angesagt. Der EU rate ich, etwas mehr Geld in den Ausbau von Radwegen zu pumpen, was auch der Umwelt zugute käme!
Mein persönliches Strecken-Highlight ist die Stadt Roudnice nad Labem, wo ich eine Pause mache, die Burg und das Stadtbild bewundere. Dann gleite ich nur noch so dahin, bis von Weitem auf einem Hügel das Städtchen Mělník erscheint.
Etappenziel Mělník
Am Hang unterhalb des Schlosses gedeihen Weinreben, an deren Fuße sich die Elbe und die Moldau küssen. Die alte Königsstadt mit dem pittoresken Marktplatz ist berühmt für das Schloss aus dem 16. Jahrhundert. Dort haben sich die Herren von Lobkowicz im barocken Stil ausgetobt. Ich wandele durch die hochherrschaftlichen Räumlichkeiten, probiere auch den fruchtigen Melniker Weißwein und freue mich zwischen dem Prager Tor und der Kirche St. Peter und Paul über den herrlichen Frühlingstag.
Moldau-Radweg 7 nach Prag
Zu meiner letzten Etappe nach Prag auf dem Moldau-Radweg 7 starte ich schon kurz nach halb acht. Weil rund 60 Kilometer vor mir liegen und mein Zug um 14:32 Uhr den Prager Hauptbahnhof verlässt, denke ich, dass ich mich sputen sollte. Am Ende bin ich nur knapp vier Stunden unterwegs.
Durch die üppige dunkelgrüne Natur kurz hinter Melnik streifen farbenfrohe Fasane. Das allererste Mal, dass ich diese Vögel im Freien sichte. Ich kannte sie bisher nur aus der Voliere meines Großonkels.
Etwa zehn Kilometer habe ich hinter mich gebracht, als der Radweg in einem Dorf endet. In der Frühe des Feiertags klingele ich den Fährmann aus seinem Haus, damit er mich mit dem Boot ans andere Moldau-Ufer geleitet. Das tut er dann auch sofort für 25 tschechische Kronen (nicht einmal ein Euro!).
Krasser Anstieg kurz vor Prag
Teilweise bewege ich mich nun auf wenig befahrenen Landstraßen vorwärts und dann wieder an der Vltava, wie der Fluss auf Tschechisch heißt. Kurz vor Prag mündet der Radweg in einen abenteuerlichen Trampelpfad an der Moldau und schließlich führt er von ihr weg: auf einen Berg, wo meine Kondition gefordert ist. Mehrere Kilometer geht es steil bergauf, dank meiner 27 Gänge schiebe ich kein einziges Mal.
Beim Anstieg freue ich mich auf eine rasante Abfahrt, um dann zu bemerken, dass es sich um scharfe Serpentinen handelt. Da sollte man besser Vorsicht walten lassen! Das tue ich dann auch und erreiche die ersten Vorworte von Tschechiens Hauptstadt. Auf dem Radweg tummeln sich am 1. Mai Unmengen von Familien. Sie fahren ebenfalls Rad, haben sich Inliner untergeschnallt oder gehen spazieren.
Massentourismus in Prag
Unabsichtlich presche ich an der Fähre zum rechten Moldau-Ufer vorbei und nehme die nächste Brücke in die Prager Altstadt, die ich bei meinen Städtetrips 2005 und 2012 auf keinen Fall so überfüllt erlebt habe.
Im Schneckentempo bahne ich mir den Weg durch die wohl schönste Stadt Europas, die offensichtlich an Massen verramscht wird. Fast jedes Geschäft ist ein Souvenirladen oder ein Touristen-Restaurant! Meine Zeit reicht noch für ein zünftiges Mittagessen und einen Spaziergang durch die wuselnde Menge zum Bahnhof.
Von meiner Radtour Dresden Prag werde ich aber sicher noch lange zehren und bin stolz auf mich, weil ich sogar den Dauerregen gemeistert habe. Nun wünsche ich Dir viel Spaß mit meinem ersten Vlog! (as)
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Hallo! Im Herbst besuchte ich Dresden und Rathen. Eindrücke sind unvergesslich! Bastei bei Regenwetter ist ein unglaublicher Anblick.
Hallo Annika,
vielen Dank für Deinen interessanten Bericht und das Video dazu.
Genau dieselbe Radtour machen ich in der Zeit vom 8. Juli – 11. Juli 2020 – hoffentlich mit besserem Wetter. Aber eine Radtour nach Danzig im letzten Jahr und die Via Claudia Augusta von Füssen zum Gardasee im Jahr 2017 haben mich bereits durch Dauerregen abgehärtet. Ich hoffe, ich habe genau so viele schöne Momente wie du auf deiner Tour hattest und kann die Landschaft ebenso genießen, die durch Deinen Film sehr anschaulich dargestellt worden ist.
Falls Du Interesse haben solltest, teile ich Dir meine Erlebnisse und Eindrücke gerne mit.
Falls nicht, wünsche ich Dir viele fantastische und aufregende Radreisen. Es gibt in Europa noch so viel mit dem Fahrrad zu entdecken.
Meine Planungen für 2021 haben bereits begonnen. 🙂
Freundliche Grüße von
Rudi
Hallo Rudi,
ja, stellenweise war das Wetter nicht so optimal, trotzdem erinnere ich mich gerne an die Tour zurück. Am Dienstag breche ich zu einer Tour auf dem Berlin-Usedom-Radweg auf. Du darfst gerne deine Eindrücke mit mir teilen. 🙂
LG
Annika
Hallo,
meinen Glückwunsch zu dieser tollen Seite und danke für diesen Bericht. Trotzdem muss ich mit einer Kritik beginnen: Das Foto aus Melnik zeigt die Moldau und den Moldau-Kanal, die Elbe-Mündung ist links davon und von oben nur ganz am Rand zu sehen.
Dann noch folgende Informationen: In Lužec nad Vltavou kurz hinter Melnik gibt es seit 2020 eine neue Brücke für Fußgänger und Radfahrer, die Fähre ist Geschichte. Vor Prag kann man sich den Berg getrost sparen. Offiziell verläuft direkt am Moldau-Ufer zwar nur der Wanderweg E10, möglicherweise ist das der „abenteuerliche Trampelpfad“ aber der stellt für erfahrene Radfahrer kein Problem dar und ich bin auf meinen 2 Touren (allerdings jeweils im September) nicht einem einzigen Wanderer und nur einigen wenigen Radfahrern begegnet. Zuletzt noch ein Tipp zu Routenplanung und Navigation (nicht nur) in Tschechien: vergeßt bikemap, komoot, Naviki und Co., nutzt die Website und App von mapy.cz .
Hallo Sonnenkopp,
danke für dein Feedback. Diese Reise war meine erste mehrtägige Radtour. Ich bin einfach konsequent den Wegweisern gefolgt, und die brachten mich sowohl zu der Fähre als auch zu dem Berg kurz vor Prag.
Viele Grüße,
Annika