Jugendstil in Riga

Jugendstil in Riga

Wer sich für Art Nouveau begeistert, sollte mindestens einmal im Leben in die Hauptstadt von Lettland jetten. Der Hin- und Rückflug mit Ryanair ab Berlin-Schönefeld kostet mich nur knapp 60 Euro – ein absolutes Schnäppchen. Den Jugendstil in Riga habe ich während meines dreitägigen Kurztrips fast vor der Haustür.

Das Art Hotel Laine, wo man im Januar für drei Übernachtungen im Einzelzimmer 102 Euro bezahlt, liegt nur wenige Gehminuten vom Jugendstilviertel entfernt. Die Einrichtung der Lobby und des Speiseraums wurde offensichtlich von dieser Kunstepoche inspiriert – logisch, denn viele Touristen kommen gerade wegen der prachtvollen Jugendstilgebäude nach Riga!

Jugendstil in Riga
Foto: Reise-Liebe

Jugendstil in Riga: Michail Eisenstein

Eine Schlüsselrolle in der Entstehung dieser Luxusbauten spielte der russische Architekt Michail Eisenstein (1867 – 1921). Er wurde 1893 Leiter der Rigaer Bauverwaltung und ließ rund 50 Häuser mit kunstvoll gestalteten Fassaden errichten.

In die Außenmauern sind aufwändige Statuen, Ornamente und Gesichter eingemeißelt – nicht alle haben allerdings eine freundliche Mimik. Manche schauen den Betrachter regelrecht erschreckt an. Vielleicht als Vorahnung der Sowjet-Ära, als der Jugendstil in Riga jahrzehntelang dem Verfall ausgeliefert war!

Jugendstil in Riga
Foto: Reise-Liebe

Nach dem Ende der Sowjetunion

Seit der Unabhängigkeit Lettlands sind die rund 800 Jugendstil-Gebäude in der Stadt kontinuierlich restauriert worden. Das Gros konzentriert sich auf die Elisabeth iela und die Alberta iela – „iela“ heißt auf Deutsch „Straße“.

Auch andere Repräsentationsbauten wie die Oper, das Nationaltheater, die Lettische Kunstakademie oder die Universität zeichnen sich durch prächtige Jugendstilfassaden aus.

Jugendstil in Riga
Foto: Reise-Liebe

Spaziergang durchs Jugendstilviertel

Bei meinem Riga-Besuch erlebe ich die Stadt die meiste Zeit bei trübem Tauwetter. Kurz vorher hat es geschneit, jetzt stapelt sich grauer, verwässerter Schneematsch am Straßenrand der Alberta iela, die sich im Sommer bestimmt noch mehr zum Flanieren anbietet als während der dunklen Jahreszeit.

Im Rigaer Jugendstilviertel reiht sich eine Prachtvilla an die andere. Türme, Zinnen und verschneite Vorgärten prägen ganze Straßenzüge, in denen vereinzelte Häuser noch auf den Restaurateur warten. Nie habe ich so viel Jugendstil an einem Ort gesehen und erinnere mich, dass ich als kleines Mädchen immer in einer Jugendstilvilla wohnen wollte … In diesem Viertel, das von reichen Zeiten zeugt, würde ich mich also sofort heimisch fühlen.

Jugendstil in Riga
Foto: Reise-Liebe

Das Rigaer Jugendstilmuseum

Wie eine Original-Jugendstilvilla zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingerichtet war, zeigt die Ausstellung im Jugendstilmuseum in der Alberta iela 12. Für 5 Euro Eintritt spaziere ich durch die hochherrschaftlichen Wohnräume, wo man sich Möbel, Geschirr und Bekleidung aus der Fin-de-Siècle-Ära aus nächster Nähe anschauen kann.

In den Zimmern hält sich auch Personal in Jugendstil-Kostümen auf – Damen mit Federhüten in langen bestickten Kleidern. Als ich in der Küche ankomme, strömt mir ein Geruch von frischgebackenen Plätzchen entgegen.

In jedem Raum liegen für die Besucher Infokarten in unterschiedlichen Sprachen aus. Als ich in der Küche die deutsche Karte nehme, fragt mich eine Jugendstil-Dame neben dem Tisch voller duftender Kekse: „Darf ich Ihnen einen Keks anbieten?“

Jugendstilmuseum Riga
Foto: Reise-Liebe

Ihr akzentfreies Deutsch überrascht mich und ich antworte: „Oh, Sie sprechen Deutsch? Ja, sehr gerne natürlich!“
„Ja, warum sollte ich denn kein Deutsch sprechen? Das ist doch normal in Riga zu dieser Zeit.“

Kurzer Ausflug in die Geschichte: Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs waren noch rund 45.000 Einwohner von Riga deutschstämmig – der wohl berühmteste Deutsch-Balte ist der 1909 in Riga geborene Heinz Erhardt (gestorben 1979 in Hamburg).

Zurück zum Jugendstil in Riga: Der Keks ist noch lauwarm und schmeckt so lecker wie nur ein Plätzchen, das frisch aus dem Ofen kommt. In diesem Museum begibt man sich also auf eine Zeitreise, bei der durch Interaktion eine besonders gelungene Illusion von Echtheit erzeugt wird.

Jugendstilmuseum Riga
Foto: Reise-Liebe

Sobald man die Räumlichkeiten verlassen hat, sollte man auch das Treppenhaus in Augenschein nehmen. Eine endlos wirkende Wendeltreppe führt vorbei an Blumenmalereien und Ornamenten, die eine starke Ähnlichkeiten zu den Werken des tschechischen Jugendstil-Künstlers Alfons Mucha (1860 – 1939) aufweisen.

Hier wird deutlich: Jugendstil ist ein Kunst- und Architektur-Phänomen, das sich quer durch Mittel- und Nordeuropa zog. In den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde Riga wegen seiner vielen Jugendstilvillen als „Paris des Nordens“ bezeichnet – in Anlehnung an Art Nouveau in Frankreich. (as)

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2 Gedanken zu „Jugendstil in Riga“

  1. Riga ist in der Tat eine enorm sehenswerte Stadt. Die alten hübsch verzierten Gebäude sind toll anzusehen. Ich mag aber auch das Viertel mit den alten Holzhäusern sehr gern. Überhaupt hat Riga richtig viel zu bieten.

    Meine 15 Highlihgts findest du hier: http://passenger-x.de/reisen/europa/baltikum/riga-highlights/

    Vielleicht willst du ja noch einmal hin und kannst dann noch ein paar Tipps brauchen:) Da ich ein kleiner Foodie bin, findest du da auch ein paar coole Café Empfehlungen.

    Liebe Grüße
    Nicole vom Reiseblog PASSENGER X

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