Bis kurz vor Weihnachten 2024 verbringe ich sieben Wochen in Lettlands Hauptstadt. Besonders viele Ausflüge mache ich dort nicht, denn ich empfinde Riga im Winter als kalt, dunkel und ungemütlich. Lieber ziehe ich mich in meine Airbnb-Wohnung zurück, widme mich der Musik und kuschele mich abends unter einer flauschigen Decke aufs Sofa. Trotzdem gibt es ein paar Möglichkeiten, die geschichtsträchtige Altstadt, ihre Museen, Cafés und Kulturveranstaltungen stilvoll zu genießen.
Marktbummel in Riga im Winter
Besonders glücklich schätze ich mich, weil ich in der Nähe des zentralen Marktes (Centraltirgus) logiere. Hier kaufe ich Obst und Gemüse, das qualitativ hochwertig und preiswert ist. Der Nachteil: Die meisten Obst- und Gemüsestände befinden sich unter freiem Himmel, so dass mir bei jedem Einkauf fast die Finger abfrieren, wenn ich kurz meine Handschuhe ausziehe.
In solchen Momenten kann ich es kaum erwarten, in die Markthallen zu flüchten. Ein wahrlich historischer Ort: Im Ersten Weltkrieg dienten die beiden Hallen „Walhalla“ und „Walter“ deutschen Kriegszeppelinen als Hangars. In den 1920er Jahren wurden sie zu Markthallen umfunktioniert und sind es bis heute geblieben.
Für mich ist es jedes Mal ein Erlebnis, wenn ich durch die Halle für Süßigkeiten, Gebäck und Gewürze flaniere. Ihre Düfte und Farben lassen mir das Wasser im Mund zusammenlaufen, und meist kann ich den Versuchungen nur schwer widerstehen. In der gleichen Halle gibt es Stände für warme Gerichte und Snacks wie frittierte Pirāgi (gefüllte Teigtaschen) oder süße Pfannkuchen. Auch Fleisch, Fisch, Souvenirs und allerhand Kitsch werden auf dem Markt verkauft.

Stilvolle Cafés in der Rigaer Altstadt
Typisch für Rigaer Lokale ist, dass sie dekorativ und mit viel Liebe zum Detail eingerichtet sind. So manchen Nachmittag verbringe ich in Cafés und finde schnell einen Favoriten: das Parunāsim – ein kleines Juwel in der Altstadt, das wie eine urige Stube aus Großmutters Zeiten wirkt und hausgemachte Kuchen serviert. Der Eingang liegt ein bisschen versteckt in einem Hinterhof. In dem Ambiente voller Plüsch und Holz wird mir in Riga im Winter sofort warm ums Herz.

Weihnachtsmarkt auf dem Domplatz
Die charmante Altstadt mit ihrer traditionellen baltischen Architektur ist wie geschaffen für vorweihnachtliches Treiben mit strahlender Adventsbeleuchtung und einem Weihnachtsmarkt auf dem Domplatz. Hier ist es möglich, sich mit Glühwein aufzuwärmen oder deftige Pfannengerichte mit Fleisch und Sauerkraut zu kosten. An den Wochenenden stehen außerdem musikalische Vorführungen auf dem Programm.
Mich zieht es häufiger in einen Laden namens „Ziema“ (zu Deutsch: Winter). Er ist in Riga die erste Adresse für märchenhafte Weihnachtsdekorationen. Sie sehen so kitschig aus, dass sie fast schon vor Genialität übersprudeln und mich in eine entrückte Welt der Weihnachtsträumereien schweben lassen. Wenn ich mich aufwärmen oder der Wirklichkeit entfliehen möchte, trifft man mich im November und Dezember bei „Ziema“.

Musik in Rigaer Kirchen
Die Kirchen verleihen Riga im Winter eine heimelige Atmosphäre. Sie sind nicht nur architektonische Meisterwerke, sondern auch Austragungsorte für Konzerte. Zum Beispiel finden im Dom regelmäßig musikalische Darbietungen mit Orgel und klassischem Gesang statt. Wer diese Konzerte besucht, sollte sich allerdings dick anziehen, denn geheizt wird anscheinend nicht.
Auch die St.-Peter-Kirche lockt mit klassischen und modernen Musikveranstaltungen. An den Adventswochenenden des Jahres 2024 animiert der deutsche Musiker Jöran Steinhauer die Gemeinde mit einer Extraportion Herzlichkeit zum Mitsingen von Weihnachtsliedern. Der gebürtige Bochumer ist in Lettland kein allzu Unbekannter mehr. Immerhin hat er es 2014 geschafft, mit seiner Band beim Eurovision Song Contest in Dänemark ins Rennen zu gehen.

Magie der Lettischen Nationaloper
Wer sich für Oper und Ballett begeistert, der sollte in Riga im Winter die Chance ergreifen, sich Karten für die Lettische Nationaloper zu besorgen. Für mich werden es gleich drei Besuche voller Gesang und Tanz. Natürlich versüße ich mir die Weihnachtszeit mit Tschaikowskys fantasievollem Ballett „Der Nussknacker“.
Auch das Gebäude selbst ist eine Augenweide. Zwischen 1860 und 1863 wurde das neoklassizistische Opernhaus nach Entwürfen von Ludwig Bohnstedt erbaut – um das „Deutsche Theater Riga“ zu beherbergen. Allerdings wütete 1882 ein Feuer und zerstörte es. Zwischen 1885 und 1887 ließ der Stadtbaumeister Reinhold Schmaeling die Oper wieder aufbauen.

Kulturgenuss in Rigaer Museen
Neben den musikalischen Attraktionen machen die Museen Riga im Winter zu einem spannenden Reiseziel. Beispielsweise beeindruckt das Lettische Nationalmuseum für Kunst mit einer sehenswerten Sammlung lettischer und internationaler Exponate.
Mein Favorit ist das Jugendstilmuseum, das Einblicke in ein Haus aus der Jugendstil-Epoche gewährt und sich wie eine Zeitreise anfühlt. Ein düsteres Kapitel der Geschichte Lettlands beleuchtet das KGB-Museum. Das Betreten der beklemmenden Gefängniszellen ist allerdings nur im Rahmen einer Führung möglich. Hier heißt es: Auf jeden Fall rechtzeitig online buchen!

Nach Riga im Winter eine Radreise
Fazit: Bis jetzt kenne ich Riga nur im Winter. Eine schöne Stadt, in der ich schnell durch die manchmal verschneiten Parks gehuscht bin, um mich ins Warme zu flüchten. Kein einziges Mal bin ich am Ufer des Flusses Düna spazieren gegangen. Auch auf Abstecher ins nahe Ostseebad Jurmala habe ich verzichtet.
Inzwischen bin ich neugierig auf das sommerliche Gesicht, wenn ich im Juni 2025 auf meiner Baltikum-Radreise für drei Tage zurückkehre und meine Eindrücke mit dem Winter in Riga vergleichen kann. (as)