Meine Reisen als digitale Nomadin haben mich wieder einmal nach Opatija geführt – das altehrwürdige Seebad an der Kvarner Bucht, das durch Villen aus der Zeit der K.u.K-Monarchie besticht. Es liegt zwischen den grün bewaldeten Hängen des Učka-Gebirges und der bei Sonnenschein türkis schimmernden Adria. An diesem Ort im heutigen Kroatien genossen bereits im 19. Jahrhundert zahlreiche europäische Adlige das milde mediterrane Klima. Was vom Glanz vergangener Epochen übrig geblieben ist, erfährst du in diesem Blogartikel.
Angesagter Kurort im 19. Jahrhundert
Dass sich Opatija vor über 150 Jahren zu einem angesagten Kurort entwickelte, ist dem Ausbau des Schienennetzes zu verdanken. Im Jahr 1873 eröffnete die österreichische Südbahngesellschaft die Teilstrecke Pivka-Rijeka, an der auch der Bahnhof Opatija-Matulji liegt. Der österreichisch-ungarische Kaiser Franz-Joseph I. unterstützte die Bahngesellschaft und den Bau von Villen, für die mondäne Architektur aus Nizza, Cannes und Monte Carlo als Vorbild diente.
Ein bekanntes Beispiel ist die von Iginio Scarpa entworfene Villa Angiolina. Dieses historische Herrenhaus im gleichnamigen Park Angiolina beherbergt heute ein Tourismus-Museum. Im 19. Jahrhundert übernachteten in ihr jedoch gekrönte Häupter, etwa der deutsche Kaiser Wilhelm II. oder auch berühmte Komponisten wie Gustav Mahler und Giacomo Puccini. Im Park spenden Pflanzen wie Zypressen, Magnolien und Zedern an heißen Sommertagen Schatten – nicht nur für Menschen, sondern ebenfalls den herrenlosen Katzen der Stadt.
Von Opatijas royaler Vergangenheit, als das Seebad Abbazia hieß, erzählen neben der Villa im zentralen Stadtpark alteingesessene Grand Hotels, darunter das noble Hotel Kvarner und gediegene Cafés. Letztere sind noch immer von Wiener Caféhaus-Romantik durchdrungen. Ein Beispiel ist das Caffe Wagner im Herzen von Opatija, das mit aufwendigen Tortenkreationen zum Schnabulieren auf der Terrasse mit Meerblick lockt.
Die Überbleibsel des kaiserlich-königlichen Charmes scheinen in hohem Maße dazu beizutragen, dass Opatija nach wie vor ein beliebtes Reiseziel für Erholungssuchende aus Österreich ist – hauptsächlich für Menschen der Generation 60 plus, die bei Spaziergängen auf der berühmten Seepromenade Lungomare überall anzutreffen sind.

Flanieren am Lungomare von Opatija
Der Lungomare ist insgesamt zwölf Kilometer lang und erstreckt sich zwischen Volosko im Osten und Lovran westlich von Opatija. Der östliche Abschnitt der befestigten Promenade wurde 1889 fertig gestellt – das Jahr, in dem die Stadt den Titel „Luftkurort“ erlangte. Der westliche Ausläufer wurde erst über zwei Dekaden später vollendet – im Jahr 1911.
Im Laufe der Jahrzehnte durchlief der Spazierweg am Meer mehrere Namensänderungen. Aktuell ehrt die Bezeichnung „Obalno Šetalište Franza Josefa I.“ (zu Deutsch: Franz Josefs Küstenpromenade) den Ehemann von Kaiserin Elisabeth („Sisi“). Zwischen den beiden Weltkriegen, als Opatija zu Italien gehörte, war der Lungomare namentlich in die Abschnitte Lungomare Regina Elena, Lungomare della Madonne und Lungomare Principe Umberto unterteilt. Unter Titos sozialistischer Herrschaft ab 1945 erinnerte der Weg mit der Bezeichnung Matko-Laginja-Promenade paradoxerweise an einen kroatischen Nationalisten.
Bei einem Spaziergang an der Küste gelangt man zum Wahrzeichen von Opatija. Dabei handelt sich um die Statue eines Mädchens mit Möwe auf dem rechten Arm, das aufs Meer blickt und ständig von fotografierenden Touristen frequentiert wird. Seit 1956 steht die von Zvonko Car erschaffene Figur auf ihrem Felsen. Was die wenigsten Besucher wissen: Das Mädchen ist eine Madonna, die über die Seelen des 1891 ertrunkenen Grafen Arthur Kesselstadt und dessen Ehefrau wachen soll.
Im Laufe des zwölf Kilometer langen Spazierganges, der sich nach Belieben verkürzen oder über mehrere Tage verteilen lässt, kommt man an zahlreichen Parkbänken, Cafés, Badestränden und Aussichtspunkten vorbei. Es ist ein Weg, um in aller Ruhe zu bummeln und die Seele baumeln zu lassen. Vor allem Volosko hat sich den malerischen Reiz eines alten Fischerdorfes bewahrt. Deshalb lohnt es sich, hier mit der Erkundung der Küste zu Fuß zu starten.

Bausünden und Betonstrände in Opatija

Man benötigt keine Lupe, um zu erkennen, dass das glanzvolle Bild aus der Kaiserzeit immer mehr hässliche Risse bekommt. Während manche alte Villa am Lungomare am Verfallen ist, sprießen graue Betonklötze in Opatija und Umgebung wie giftige Pilze aus dem Boden und verschändeln die traumhafte Landschaft. Es ist ein Phänomen, das im Zuge des stärker werdenden Massentourismus in Kroatien überall an der Adriaküste zu beobachten ist. Anstatt traditionelle Architektur zu bewahren, trägt ein neo-sozialistischer Baustil zur kulturellen Gleichschaltung in einer globalisierten Welt bei.
Hinzu kommt, dass die meisten Badestellen in Opatija betoniert sind. Diese Uferstellen wirken fast wie städtische Freibäder, in deren Nähe sich Stände für Touristen-Tinnef „made in China“ aneinanderreihen, um insbesondere Familien mit Kindern die Euros aus der Tasche zu ziehen.
Wer diese Entwicklungen in Kroatien betrauert und nicht die Macht hat, sie zu stoppen, kann sich zumindest noch in die Natur zurückziehen. In den Wäldern am Rande der Stadt gibt es viele Wanderwege – zum Beispiel den idyllischen Waldweg Carmen-Sylva, der einer rumänischen Königin mit starken künstlerischen Ambitionen gewidmet ist. Eine Entdeckungstour wirkt wie Balsam für die Seele. (as)
