Nachhaltig reisen: Von einer langen Reise nach Kroatien

Nachhaltig reisen mit dem Bus

Nachhaltig reisen ist in aller Munde. Wir sollen unseren CO2-Abdruck verringern, steht auf der vorherrschenden politischen Agenda. Schon lange bevor die grünen Wellen der Klima-Propaganda um sich schlugen, spielten Umweltschutz und sanfter Tourismus in meinem Leben eine große Rolle. Dass ich im Jahr 2019 fast jeden Monat mit dem Flugzeug unterwegs war, bereitete mir ein schlechtes Gewissen. Seit 2020 habe ich meine Flugreisen drastisch reduziert und fliege nur noch, wenn ich die Notwendigkeit sehe. Zum Beispiel, weil das Ziel tausende Kilometer entfernt ist.

Nachhaltig reisen bedeutet Entschleunigung, doch es kann auch anstrengend, verrückt und nervenaufreibend sein. Das beweist meine lange Reise nach Kroatien, die ich mit Bus und Bahn auf mich genommen habe.

Nachhaltig Reisen mit Bus und Bahn

Gepäck beim Reisen nach Kroatien
Mein Reisegepäck am Bahnhof, Foto: Reise-Liebe

Mein Trip nach Kroatien beginnt an einem Dorfbahnhof in der südniedersächsischen Provinz – in der Nähe meines Elternhauses, wo ich Ende März ein paar Tage verbracht habe. In Göttingen steige ich um in einen ICE und zu meinem Glück ist die Deutsche Bahn sogar pünktlich!

Weil im Tunnel zwischen der Universitätsstadt und Kassel Bauarbeiten stattfinden, wird der Zug über die Regionalbahnstrecke umgeleitet. An mir vorbei rauschen Bahnhöfe wie Eichenberg, Witzenhausen und Hann. Münden – alles nach Plan. Und was sind schon sieben Minuten Verspätung in Kassel-Wilhelmshöhe, wenn man wegen der berühmt berüchtigten Unpünktlichkeit der Deutschen Bahn in München eh schon einen Übergang von drei Stunden einkalkuliert hat?

In Ingolstadt – eine Station vor dem Ziel – bleibt der ICE minutenlang am Gleis stehen. Dann ertönt eine Durchsage: Im Raum München seien Personen auf den Schienen und sie hätten „keine Lust“, sich dort fortzubewegen! Die Weiterfahrt verzögere sich deshalb auf unbestimmte Zeit. Ungefähr fünf Minuten später folgt die nächste Durchsage: Die Sperrung der Schienen werde länger dauern, daher komme es zu einer Umleitung des Zugverkehrs über Augsburg mit mindestens 75 Minuten Verspätung.

Aus 75 werden 90 Minuten. Anderthalb Stunden weniger Übergangszeit am Münchner Hauptbahnhof, wo zwielichtige Gestalten herumlungern und Bauarbeiten die ungemütliche Atmosphäre intensivieren. Nachhaltig reisen in Deutschland ist also mindestens genauso angenehm wie das politische Klima im Land.



Schlaflose Nacht im Fernbus

Nachhaltig reisen im Fernbus
Nacht im Bus, Foto: Reise-Liebe

In aller Ruhe spaziere ich mit meinem Koffer und meiner Gitarre zum Münchner ZOB, ein ähnlich einladender Ort wie der einige hundert Meter entfernte Hauptbahnhof. Es gibt keine geschlossene Wartehalle mit Sitzgelegenheiten, lediglich ein paar Bänke an den Bussteigen. Dort haben sich Menschenmengen versammelt, denn in den Stunden rund um Mitternacht fahren mehrere Fernbusse nach Kroatien, Serbien, Polen und Italien. Um mich herum höre ich fast nur noch kroatische Wortfetzen.

Nachhaltig reisen scheint en vogue zu sein – vor allem auch günstiger als Flüge ab Deutschland. Der grüne Bus, der mich nach Split bringen wird, fährt um 23:40 Uhr ab. Die Sitze sind hart und eng, die Menschen zusammengepfercht wie in einer Sardinenbüchse. Ich pflanze mich in der hintersten Sitzreihe in die Mitte, wo ich meine Beine lang in den Gang ausstrecken kann.

Um mir die Nacht im Bus so kuschelig wie möglich zu machen, habe ich ein Reisekissen und eine Augenmaske mitgenommen. Kaum sind wir losgefahren, spüre ich Kälte und wickele mich in meine neue, weinrote Fleecedecke. Dieses praktische Reisezubehör von Belieff wärmt mich von oben und unten, denn die Decke ist mit einem Fußsack ausgestattet.

Ich schmuse mit dem weichen Stoff und döse vor mich hin. Manchmal ertappe ich mich dabei, irgendwelche Sachen zu träumen. Obwohl mir ein tiefer Schlaf verwehrt bleibt, torkele ich schlaftrunken aus dem Bus, als wir an einer Raststätte halten. Wo bin ich? Ich sehe Beschriftungen auf Deutsch und frage an der Kasse nach der Toilette.

„Auf der Rückseite“, antwortet mir die Dame mit österreichischer Lautfärbung. In der Nähe von Villach, kurz vor der Grenze zu Slowenien, verrät mir mein Navi. Nicht allzu viel später nehme ich wahr, wie der Bus den Karawankentunnel durchquert.

Kurz nach sieben in Rijeka setze ich meine Füße zum ersten Mal seit einem Jahr auf kroatischen Boden. Im Café am Busbahnhof versuche ich, Kroatisch zu sprechen, doch vor lauter Müdigkeit habe ich ein Brett vor dem Kopf und vermische Kroatisch mit Spanisch. Nachhaltig reisen macht also blöd, zumindest wenn man im Fegefeuer zwischen Schlaf und Wachzustand herum taumelt.

Altstadt von Split
Altstadt von Split, Foto: Michelle Raponi / Pixabay

Festsitzen in Split

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Am 1. April komme ich um 15 Uhr in Kroatiens zweitgrößter Stadt Split an – am Busbahnhof schräg gegenüber der Mole, von der mich eine Stunde später ein Katamaran zur Insel Korčula bringen soll. Entspannt und immer noch müde spaziere ich zum Ticketschalter – der kroatischen Sprache wieder fähiger als am Morgen.

Ein Ticket kaufen? Nein, das sei nicht möglich! Wegen des Windes werde um 16 Uhr kein Katamaran in See stechen. Vielleicht am nächsten Tag? Nein, das wisse sie nicht, meint die Dame. Leider kein Aprilscherz!

Ich versuche mein Glück bei der Konkurrenz. Um 18 Uhr gibt es eine Autofähre nach Vela Luka auf Korčula. Die Hoffnung wird sofort zerschlagen: Die Reederei habe wegen des Wetters sämtlichen Fährverkehr zu den Inseln eingestellt. Ich solle am nächsten Morgen anrufen und fragen, ob ich weiterreisen könne.

Frustriert buche ich ein Bett in einem Hostel und checke zehn Minuten später ein. Zu meinem Glück bin ich allein in dem engen Schlafsaal und schlummere vielleicht drei Stunden. Ich habe aber noch mehr Glück: Meine hilfsbereite Vermieterin teilt mit per WhatsApp mit, dass um ein Uhr in der Nacht ein Bus auf die Insel fahre. Kurz vor halb eins checke ich aus. Meine Lust, in der Tourismus-Metropole Split festzusitzen, hält sich in Grenzen.



Fernbus Nr. 2 mit Happy End

Es gießt in Strömen, während ich mich und mein schweres Gepäck in der Dunkelheit zurück zum Busbahnhof schleppe. Obwohl viele Menschen auf den gleichen Bus warten, ist der Wartesaal geschlossen. Der Bus kommt mit 20 Minuten Verspätung in Split an.

Wieder mummele ich mich in die flauschige Decke ein, lege mir das Kissen in den Nacken und schlafe anscheinend länger als in der Nacht zuvor. Als ich aufwache, überqueren wir schon die neue Brücke zur Halbinsel Pelješac. Wie wir von dort nach Korčula gelangen, ist mir ein Rätsel. Gibt es auch eine Brücke? Ich denke immer noch darüber nach, als mir auffällt, dass wir nach einer längeren Pause in Orebić auf eine Fähre rollen. Die Adria ist jetzt ruhig.

Um 5:55 Uhr endet das Abenteuer „Nachhaltig reisen“ vorerst am Busbahnhof von Korčula. Meine Vermieterin Tina wartet schon auf mich. Mit dem Auto bringt sie mich in mein traumhaftes Domizil in Lumbarda, wo ich mich in das super bequeme Bett plumpsen lasse und erst einmal über alle zurückliegenden Ereignisse schlafe.

Lumbarda auf Korcula
Angekommen in Lumbarda, Foto: Reise-Liebe

Weiter nachhaltig reisen?

Werde ich nach solch einem verrückten Trip nach Kroatien auch in Zukunft nachhaltig sein? Auf diese Frage antworte ich mit einem klaren Ja, denn an Flughäfen sind Komplikationen ebenfalls gang und gäbe. Ich habe schon Streiks des Bodenpersonals und stundenlange Verspätungen durchlebt. Die Krönung war aber ein verspäteter Koffer, dessen Inhalt ich in dem Moment dringend brauchte. So hat jede Art des Reisens Vor- und Nachteile. Glücklicherweise haben wir bei den Verkehrsmitteln immer noch die Wahl. Mit welchem reist du am liebsten? Verrate es mir in einem Kommentar! (as)

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