(Blogger-Kooperation, enthält Werbung) Endlich bin ich mit meinem Fahrrad wieder auf dem Ostseeküstenradweg Eurovelo 10 unterwegs. Nachdem ich Litauen auf meiner Baltikum-Radreise hinter mir gelassen habe, folgt das erste Etappenziel in Lettland: Es handelt sich um die Hafenstadt Liepaja.
Hier bin ich bereits mit einer Fähre Richtung Travemünde in See gestochen – an einem kalten, stürmischen Tag kurz vor Weihnachten 2024, als mein winterlicher Aufenthalt in Riga beendet ist.
Kaum sechs Monate später kehre ich auf zwei Rädern zurück und habe eine Blogger-Kooperation mit dem Tourismusverband Liepaja Travel. Dieser ermöglicht mir, in die Natur, Kulinarik und Geschichte der Stadt einzutauchen, ehe ich den Tag meiner Erkundungen an Liepajas traumhaft breitem Sandstrand an der Ostsee ausklingen lasse.
Liepaja – Stadt mit deutschen Wurzeln
Mein südlichstes Etappenziel in Lettland ist mit 66.680 Einwohnern (Stand: 2024) die drittgrößte Stadt des Landes. Sie liegt an der Mündung des Flusses Lyva und hatte ursprünglich einen deutschen Namen: Libau. Diese Tatsache ist der ehemals deutschen Besiedlung und Verwaltung der Region geschuldet.
Die Wurzeln von Liepaja reichen zurück bis ins 13. Jahrhundert. Am 4. April 1253 wurde zwischen der Flussmündung und dem Meer der Name Livendorf eingetragen. Schließlich erteilte der Herzog von Kurland, Friedrich Kettler, am 18. März 1625 das Stadtrecht für Libau.
Weitere Eckdaten:
– Entwicklung zu einem wichtigen Industriezentrum und Ausbau zum russischen Flottenstützpunkt im 19. Jahrhundert
– erste Straßenbahn im Baltikum ab 1899
– Beschuss des Hafens im Ersten Weltkrieg
– Unabhängigkeit Lettlands im Jahr 1918, ein halbes Jahr fungierte Liepaja als Hauptstadt
– Gründung der ersten lettischen Oper und Kunstschule nach dem Krieg
– Bombardierung der historischen Altstadt durch die Rote Armee, die deutsche Wehrmacht und lettische Verbündete zwischen 1941 und 1944
– neue sozialistische Wohnviertel nach sowjetischen Plänen nach 1945
– Auflösung des sowjetischen Kriegsflottenstützpunkts am 31. August 1994
Aufgrund der massiven Kriegszerstörung sind nur wenige historische Gebäude erhalten geblieben. Aus diesem Grund gibt es keine ausgeprägte Altstadt, und wer feinfühlig ist, mag die Kriegsaura von Liepaja spüren.
Natur genießen auf der Zirgu-Insel
Dem etwas bedrückenden Flair der Innenstadt entkommt man auf der Zirgu-Insel im lagunenartigen Liepaja-See. Mit dem Fahrrad erreiche ich das Nist- und Durchzugsgebiet für Wasservögel innerhalb weniger Minuten. Es gehört sowohl zum Naturschutzgebiet Liepajas ezers als auch zum europäischen Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000. Auf Zirgu halten sich bis zu 50 geschützte Vogelarten auf, so dass Ornithologen beste Bedingungen für Beobachtungen vorfinden.
Für mich ist Zirgu ein Ort zum Durchatmen und die Seele baumeln lassen. Eine meditative Auszeit habe ich bitter nötig, nachdem ich mich am Vortag wegen mangelnder Beschilderung in einem Wald an der litauisch-lettischen Grenze verfahren habe. Kaum bin ich vom Fahrrad abgestiegen, begrüßt mich eine neugierige Katze, während Frösche laut im Hintergrund quaken. Auf den Holzstegen halten sich Angler auf, andere machen Frühsport an Outdoor-Fitnessgeräten und ich folge dem Schotterweg, der zu einem Damm führt.
Letzterer ragt fast bis in die Mitte des Sees, wo ein Turm mit einer Aussichtsplattform steht. Oben umgibt mich Nebel, während mir ein kühler Wind durch die Haare fährt. Das Wetter ist eine launische Diva in Liepaja und ändert sich ständig.

Fürstlich speisen im Restaurant MO
Nach dem entspannten Spaziergang auf Zirgu strampele ich zurück in die Innenstadt und genieße ein köstliches Drei-Gänge-Menü im Restaurant MO, das 2024 und ’25 in den renommierten Michelin-Guide aufgenommen wurde. Eine wohlverdiente Auszeichnung für das Lokal mit dem gemütlichen urbanen Chic und der überaus freundlichen Bedienung.
Die Krönung ist jedoch das Essen selbst: Als Vorspeise schnabuliere ich eine cremige Pilzsuppe mit Croutons und einem Schuss Olivenöl. Sie ist perfekt gewürzt – ebenso das Pilzrisotto mit Parmesan und Rucola. Als Dessert bestelle ich eine belgische Waffel mit Vanilleeis, frischen Erdbeeren und Schokosoße. Das Restaurant MO ist für mich ein Glücksort in Liepaja, den ich gut gesättigt und rundum zufrieden verlasse. Dank der hervorragenden Auswahl an vegetarischen Gerichten.

Führung durch die Militärstadt Karosta
Nach dem Restaurantbesuch bin ich gestärkt, um nach Karosta zu radeln. Die ehemalige Militärbasis, deren Name „Kriegshafen“ bedeutet, liegt rund fünf Kilometer vom Stadtzentrum entfernt – direkt am Eurovelo 10, der sich durch Karosta schlängelt. Vor dem Ex-Militärgefängnis empfängt mich der englischsprachige Guide Agnis Timermanis. Auf dem Fahrrad führt er mich durch das Viertel.
Es handelt sich um die größte historische Militärzone des Baltikums, die fast ein Drittel der Gesamtfläche von Liepaja einnimmt. Der russische Zar Alexander III. befahl den Bau im Jahr 1890 und anfangs trug sie seinen Namen. Erst nach der Unabhängigkeit Lettlands im Zuge des Ersten Weltkriegs wurde sie umbenannt.
Bis 1994 war Karosta kein Teil von Liepaja, sondern eine autarke Festung, die nur mit Sondergenehmigung über die grüne Drehbrücke am künstlich geschaffenen Karosta-Kanal passierbar war. Heute sind viele der Offiziersvillen am Rande der Alleen dem Verfall geweiht, während von sowjetischen Plattenbauten der Putz abbröckelt.

Zwischen alledem ragt eine prachtvolle russisch-orthodoxe Kathedrale mit mächtigen goldenen Kuppeln in den Himmel. Agnis geleitet mich ebenfalls zu einer mit Graffiti verzierten Festung am Ostseestrand, einem Postamt für Brieftauben und einem Wasserturm, ehe ich einen Einblick in das Ex-Militärgefängnis erhalte.
Ursprünglich als Krankenhaus geplant und schließlich zweckentfremdet: Das rote Backsteingebäude wurde zu einem Ort der psychischen Züchtigung für rebellische Soldaten, die maximal 30 Tage einsaßen – von 1905 bis 1997. In dunklen Zellen schliefen sie auf Holzbrettern. Wer besonders viel Pech hatte, wurde tagelang in völliger Dunkelheit isoliert. Dass das Gefängnis von Karosta noch bis in die 1990er Jahre in Betrieb war, dokumentieren die Kritzeleien an den Wänden: Neben Datumsinschriften liest man Bandnamen wie Roxette und AC/DC.
Die „luxuriöseren“ Offizierszellen im Erdgeschoss sind heute Hotelzimmer, teilweise mit kreativen Wandbemalungen. Manche Hotelgäste wünschen sich ein besonders authentisches Gefängniserlebnis und übernachten freiwillig auf Holzbrettern wie einst die gebeutelten Insassen im ersten Stock. Während der Nazi-Herrschaft wurden ebenfalls Zivilisten dazu gezwungen und viele von ihnen außerhalb der Gefängnismauern erschossen …

Liepajas traumhafter Ostseestrand
Meine Lust, im Gefängnis von Karosta zu schlafen, hält sich in Grenzen. Nach der beklemmenden Atmosphäre in den Zellen und einem Snack im Gefängnis-Restaurant zieht es mich ans Meer. Ich durchquere Jurmalas Park, eine weitläufige grüne Lunge an der Seepromenade, und mache einen Abendspaziergang am Ostseestrand von Liepaja.
Die Schuhe ziehe ich aus und lasse mich in den feinen, weichen Sand fallen. In dem Moment läuft die Fähre aus Travemünde in den Hafen ein – dort, wo ich vor nicht allzu langer Zeit abgefahren bin. Im Hintergrund laden gepflegte Strandbars zu einem Absacker im Sonnenuntergang ein. Möwen lachen und das Rauschen der Wellen flüstert mir zu, gerade am richtigen Ort zu sein.
Wo übernachten in Liepaja?

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, während einer Baltikum-Radreise in Liepaja zu übernachten – von Campingplätzen über Pensionen bis zu Hotels. Mein Quartier ist das Hotel Liva in der Innenstadt. Nach meiner Ankunft erlebe ich ein leckeres Abendessen im Hotelrestaurant Upe, das eine Sommerkarte und sogar ein Sushi-Menü bereithält. Am Morgen können die Hotelgäste in diesem Restaurant ein reichhaltiges Frühstückbuffet mit frischen Waffeln, Obst und aromatischem Kaffee genießen.
Obwohl der Zimmer-Service nach der ersten Übernachtung mein Bett nicht macht, das WLAN instabil ist und mein Fahrrad im Hof über Nacht im Regen steht, schlafe ich recht gut, und an der Fassade prangen vier Sterne. Ob diese Einstufung für das Liva gerechtfertigt ist, mag jeder Hotelgast selbst entscheiden.
Natur und Geschichte erleben in Liepaja
Liepaja erweist sich als kontrastreiches Etappenziel während meiner Lettland Radreise auf dem Eurovelo 10. Die Stadt beschert mir eine teils bizarre Kombination aus Natur, Kulinarik und Geschichte. Während mich die Zirgu-Insel mit Ruhe und Vogelgezwitscher begeistert, zieht mich Karosta in beklemmende Kapitel der Vergangenheit.
Mein kulinarisches Erlebnis im Restaurant MO zeigt, dass Liepaja auch modernen Ansprüchen gerecht wird. Wer schließlich am feinsandigen Ostseestrand entspannt, mag sich angekommen fühlen, obwohl man der Stadt dieses Potenzial auf den ersten Blick nicht ansieht. (as)